Zeitbombe für die PK
Im Zuge der Zinswende droht die Illiquiditätsfalle statt der Illiquiditätsprämie. Alternative Anlagen werden damit zum Risiko für die Destinatäre.
Die gigantische Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität hat die Zinsen in den vergangenen Jahren auf historische Tiefstände gedrückt. Um ihre Sollrendite trotz hartnäckiger Negativzinsen zu erreichen und ihre rigiden Leistungsverpflichtungen erfüllen zu können, haben Pensionskassenverantwortliche nach neuen respektive alternativen Renditequellen Ausschau gehalten. Sichere, aber kaum verzinste Obligationen wurden verkauft, um sie durch attraktivere Anlagen zu ersetzen.
Ganz im Kontrast zur weitverbreiteten Meinung sind die frei gewordenen Mittel aber nicht in börsengehandelte Aktien umgeschichtet worden. Die Aktienquote schweizerischer Pensionskassen ist im Laufe der Jahre und Jahrzehnte trotz Börsenboom mit rund 30 Prozent ziemlich konstant geblieben. Verstärkt wurden vielmehr die Quoten in Immobilien und alternativen Anlagen.
Massiver Ausbau alternativer Anlagen
Bereits seit dem Jahr 2009 steht den Vorsorgeeinrichtungen die Kategorie alternative Anlagen zur Verfügung, die mit einer Maximalquote von 15 Prozent dotiert ist. Sie erlaubt unter anderem Investments in Hedgefonds, Private Equity, Rohstoffe, Insurance Linked Bonds und Private Debt. Seit Oktober 2020 ist es Pensionskassen überdies erlaubt, bis zu 10 Prozent ihrer Gelder in Infrastrukturprojekte zu investieren. Dazu gehören zum Beispiel Anlagen in Autobahnen, Brücken, Containerhäfen, Eisenbahnwagen, Energieleitsysteme, Flughäfen, Krankenhäuser, Schulen oder die Wasserversorgung. In diesem Jahr ist mit Private Debt und Private Equity nochmals eine neue Kategorie zu den alternativen Anlagen gestossen. In diese Kategorie dürfen Pensionskassen bis zu 5 Prozent ihrer Gelder investieren. Der Bundesrat hat diese im Grunde längst existierende Anlagekategorie «zur Erreichung des langfristigen Vorsorgeziels» abgesegnet. Die Vorsorgeeinrichtungen sollen damit leichter in innovative und zukunftsträchtige Technologien mit Schwergewicht in der Schweiz investieren und so auch höhere Erträge erzielen können.
«Auch der Bundesrat ist diesem Trugschluss verfallen.»
Die Risiken werden unterschätzt
Die kumulative Maximalquote in alternativen Anlagen beträgt folglich 30 Prozent, und es ist nicht erstaunlich, dass es einen klaren Trend in der Branche gibt, diese von einem bisher tiefen Niveau weiter zulasten von unattraktiven Obligationen auszubauen. Unterstützt werden die Protagonisten von Expertinnen und Consultants, die ihrerseits Interesse an lukrativer Beratung und an einer aufwendigen Suche nach erfolgversprechenden Spezialisten haben. So proklamierten in der NZZ im Januar 2022 die Vertreterinnen und Vertreter des Beratungsunternehmens Mercer, Tobias Wolf und Philipp Weber, dass «Pensionskassen die Diversifikation bei ihren Vermögensanlagen überdenken» sollten. Viele seien immer noch zu stark in Schweizer Obligationen investiert. Eine signifikante Beimischung von Privatmarktanlagen, die eine geringe Korrelation zu den traditionellen Märkten aufweisen würden, könne das Risikorenditepotenzial der Pensionskassen deutlich verbessern. Das ist ein Trugschluss, dem offensichtlich nicht nur der Bundesrat verfallen ist.
Bei privaten und illiquiden Anlagen gibt es nur buchhalterisch ermittelte Inventarwerte, die von den Anbietern selbst einer periodischen Anpassung unterzogen werden. Eine ganze Branche von Pseudoprofis geht nun hin und misst Volatilitäten und Korrelationen von Anlagen, für die es naturgemäss keine börsengehandelten Kurse gibt. Das ist Mumpitz, denn das wahre Risiko solcher Anlagen liegt natürlich nicht in der Volatilität von künstlich geglätteten Preisen, sondern vielmehr in der Illiquidität und Intransparenz. Spätestens wenn es an den Märkten kracht und viele Investorinnen und Investoren zum Ausgang rennen, sind viele illiquide Anlagen nicht mehr veräusserbar.
Wer das nicht glaubt, wirft am besten einen Blick auf frühere Börsenkrisen, in denen zahlreiche Hedgefonds- und Private-Equity-Produkte geschlossen und liquidiert werden mussten. In Krisenzeiten explodieren deren Risikomasse, und es zeigt sich, dass die wahre Korrelation zwischen nicht kotierten und kotierten Unternehmen viel höher ist als angenommen – was aufgrund ihrer ähnlichen Eigenschaften nur logisch erscheint.
Volatilität und Korrelation sind Messgrössen, die schon bei liquiden Anlagen wie Aktien oder Anleihen nicht unumstritten sind. Wer diese aber im Kontext von illiquiden alternativen Anlagen als Massstab für eine Rendite-Risiko-Beurteilung einsetzt, ist naiv. Wer würde schon den Kauf eines Stücks Land in der Mongolei als risikoarm einstufen, nur weil der buchhalterische Einstandspreis über Jahre konstant gehalten wird und die Korrelation zu einem bestehenden Wertschriftenportfolio tief ist? Die Risiken von Private-Equity- und Infrastrukturanlagen werden systematisch unterschätzt. Dagegen werden die vermeintlich hohen Renditen regelmässig durch exorbitante Gebühren, die auf verschiedenen Ebenen anfallen, verhagelt. Bei Lichte betrachtet liegen sie langfristig signifikant tiefer als diejenigen von kotierten Aktien. Bei Hedgefonds ist fraglich, ob überhaupt eine positive Nettorendite resultiert.
Schweizerische Pensionskassen dürfen 30 Prozent ihrer Mittel in Immobilien und ebenso viel in alternative Anlagen anlegen. Das ergibt eine Maximalquote von 60 Prozent, die Vorsorgekassen in illiquide Anlagen und Produkte investieren können. Auch wenn die meisten Pensionskassen weit von dieser Quote entfernt sind, lässt sich heute schon prognostizieren, dass Ungemach droht.
Liquide börsengehandelte Aktien und Anleihen waren im ersten Halbjahr aufgrund steigender Zinsen, einer drohenden Wachstumsschwäche, Lieferkettenproblemen sowie einer geopolitisch instabilen Lage deutlichen Korrekturen ausgesetzt. Es wäre naiv, zu glauben, dass es bei Private Debt oder Private Equity diese Bewertungskorrekturen nicht geben wird. Bei nicht kotierten illiquiden Anlagen laufen diese aber naturgemäss langsamer ab. Die Verluste graben sich unmerklich, fast wie ein Krebsgeschwür, in die Kurse ein. Statt der erhofften Illiquiditätsprämie droht die Illiquiditätsfalle. Weil illiquide Anlagen kaum veräusserbar sind, ist zu befürchten, dass Pensionskassenverantwortliche bei zukünftigen Börsenverwerfungen börsenkotierte und liquide Aktien im dümmsten Moment auf Tiefständen verkaufen müssen, um der abschmelzenden Risikofähigkeit Rechnung zu tragen. Mit der Folge, dass sie auf dem illiquiden und oft intransparenten Portfolioteil sitzen bleiben, während sie vom Börsenaufschwung kotierter Aktien nach Erreichen der Tiefstände kaum mehr profitieren können. Diese Erfahrung machen Versicherungen regelmässig, weil sie aufgrund ihrer regulatorischen Gegebenheiten zu einem prozyklischen Anlageverhalten gezwungen sind.
Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar.
- Alternative Anlagen
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