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Wie abhängig sind unabhängige Vermögensverwalter?

Wenn das Eigeninteresse die Interessen der Kunden verdrängt

Die Banken- und Hypothekenkrise hat viele private und institutionelle Anleger verunsichert und verärgert. Diese beklagen sich auch über deren Betreuer, die immer stärker von Beratern zu Verkäufern mutieren. Dies eröffnet Chancen für unabhängige Vermögensverwalter. Allerdings stellt sich auch bei diesen die Frage nach wirklich gelebter Unabhängigkeit.

Rund 2600 unabhängige Vermögensverwalter verwalten in der Schweiz ein Volumen von gegen 600 Mrd. Fr., was über 10% der verwalteten Vermögenswerte abdeckt. Als Folge davon nehmen die Banken die unabhängigen Vermögensverwalter längst nicht mehr nur als Konkurrenten, sondern auch als attraktive Partner wahr. Der unabhängige Vermögensverwalter bietet seinen Kunden eine ideale Grundlage für eine ehrliche und professionelle Beratung. Er vertritt deren Interessen kompromisslos, sowohl in der Anlagepolitik als auch gegenüber den Depotbanken. Aufgrund ihrer Stärke sind insbesondere grössere Vermögensverwalter in der Lage, ausserordentlich kompetitive Transaktions- und Depotgebühren durchzusetzen. Der freie Vermögensverwalter ist darüber hinaus flexibel, seinen Kunden die optimale Bankbeziehung zu empfehlen. Ein weiterer Vorteil ist die Kontinuität in der Kundenbeziehung. Während bei Banken öfters Betreuerwechsel – aufgrund von Stellenwechseln, Beförderungen oder Restrukturierungen – stattfinden, betreut der unabhängige Vermögensverwalter seine Mandanten sehr langfristig, persönlich und nicht selten generationenübergreifend. Darüber hinaus repräsentiert der unabhängige Vermögensverwalter eine Unternehmerpersönlichkeit und steht damit auf Augenhöhe mit dem Kunden. Hingegen steht der Bankbeamte oft für einen Repräsentanten, der brav die Meinung und die Philosophie der Bank zu vertreten hat.

Fragwürdige Retrozessionen
Ein zentrales Gebiet für den unabhängigen Vermögensverwalter, auf welchem er seine tatsächliche Unabhängigkeit beweisen kann, sind seine Anlagephilosophie und seine Einstellung zu Anlageprodukten. Banken haben die Tendenz, ihren Kunden primär hochmargige und oft intransparente Produkte zu verkaufen. In Form von Anlagefonds, Hedge-Funds, Private-Equity- oder strukturierten Produkten werden die Anlagen so verpackt, dass oft weder Laien noch professionelle Marktteilnehmer wissen, was sich wirklich in den Kundenportefeuilles befindet. Aufgrund falscher Anreizstrukturen nimmt leider auch ein nicht unerheblicher Teil der Unabhängigen die Kundeninteressen nur beschränkt wahr. Über die Vermittlung hochmargiger Anlageprodukte partizipieren sie an den horrenden Gebühren, die mit deren Vermarktung verbunden sind. Es gibt nicht wenige Vermögensverwalter, die mit solchen Retrozessionen einen Grossteil ihrer Einnahmen generieren. Ausgabeaufschläge bis zu 5% sowie Bestandeskommissionen von jährlich gut und gerne 1% führen dazu, dass die Unabhängigkeit vieler Vermögensverwalter zur Makulatur wird. Wenn darüber hinaus – und dies ist nach wie vor gängige Praxis – Retrozessionen auf (häufigen) Transaktionen, Depotgebühren und Neuvolumen bezahlt werden, dient dies höchstens dem ökonomischen Eigeninteresse des Verwalters, sicherlich aber nicht demjenigen des Kunden.

Durch die höchst fragwürdigen Retrozessionszahlungen in der Produktewelt ist auch mehr als zweifelhaft, ob das vielgelobte Marketingargument «Wir verkaufen nur die besten und erfolgreichsten Fonds» glaubwürdig ist. Erstens behauptet wohl jeder Anbieter, dass er nur die besten Produkte («best in class») vertreibt. Zweitens besteht die Gefahr, dass der «unabhängige» Berater im Zweifel lieber margenträchtige und damit für ihn profitable Gefässe vermittelt. Damit setzt sich der «unabhängige» Vermögensverwalter in ein Boot mit dem Produkteentwickler – in der Regel eine Bank – und mutiert vom Berater zum Verkäufer. Die Vermarktung von Anlageprodukten einer Bank durch einen «unabhängigen» Vermögensverwalter verhindert, dass Letztgenannter die Interessen der Kunden gegenüber der Bank konsequent vertreten kann, da er faktisch in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Produkteanbieter gerät. Abschliessend sei ergänzt, dass viele unabhängige Vermögensverwalter so klein sind, dass sie auf die Einnahme von Retrozessionen existenziell angewiesen sind. Sie schichten Depots übermässig um und verfolgen so eine von Eigeninteressen geprägte Anlagepolitik, die nicht zum Vorteil der Kunden ist. Die Performance wird von zu hohen Gebühren aufgefressen und leidet unter der faktischen Nichtunabhängigkeit des Vermögensverwalters.

Was sichert aber die echte Unabhängigkeit eines freien Vermögensverwalters? Natürlich ist in erster Linie ein fachlich fundiertes Know-how zu Fragen der optimalen Vermögensanlage zu erwähnen. Dazu gehört auch ein realistischer Bezug zur eigenen Prognosefähigkeit und zur Risikoeinschätzung der zu tätigenden Anlagen. Ein Vermögensverwalter, der ausschliesslich in transparente, kostengünstige und qualitativ erstklassige Direktanlagen wie Obligationen und Aktien investiert, gilt heute als archaischer Exot. Tatsache aber ist, dass diese schnörkellose Politik ehrlich und erfolgreich ist. Insbesondere ist dieser Vermögensverwalter, weil er in keinerlei Abhängigkeit zu irgendwelchen Produkteanbietern steht, wirklich unabhängig.

Disziplin und Konstanz
Zur echten Unabhängigkeit eines Vermögensverwalters gehört auch, dass er eine bewährte Anlagestrategie mit hoher Disziplin und Konstanz umsetzt – sowohl in guten wie in schwierigen Zeiten. Ein Vermögensverwalter, der je nach Stimmung an den Märkten seine Strategie ändert, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein. Dieselben Prinzipien gelten schliesslich auch für Industrieunternehmen. Erfolgreich sind diejenigen, die hartnäckig und langfristig ihre Ziele verfolgen. Das kann für Vermögensverwalter nicht anders sein.

Natürlich muss ein wirklich unabhängiger Vermögensverwalter auch über die nötige Kundenbasis und das entsprechende Kundenvolumen verfügen, um konsequent im Sinne seiner Kunden handeln zu können und auf Retrozessionen jeglicher Art nicht angewiesen zu sein. Von den geschätzten 2600 unabhängigen Vermögensverwaltern dürfte eine Mehrheit die kritische Grösse hinsichtlich verwalteter Volumina (mindestens 100 Mio. bis 200 Mio. Fr.) und Anzahl Mitarbeiter kaum erreichen. Neben der ökonomischen Unabhängigkeit ist schliesslich die geistige Unabhängigkeit des Vermögensverwalters von geradezu fundamentaler Bedeutung. Sie charakterisiert sich dadurch, dass sie eine konsequent kundenorientierte Anlagepolitik kompromisslos gewährleistet. Der Vermögensverwalter ist erst dann wirklich unabhängig, wenn er seine Überzeugung frei von jeglichen Interessenkonflikten lebt, auch wenn sie nicht dem Herdentrieb und dem Modetrend der Masse angepasst ist.


25. Juni 2008


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.

THOMAS HAUSER
ist geschäftsführender Partner der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG.


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