Weniger ist mehr!
Dessen ungeachtet hat im vergangenen Jahr der 10-jährige Eidgenosse mit einer Verfallrendite von unter -0,6 Prozent einen traurigen Rekord aufgestellt; selbst die Rendite des 50-jährigen Eidgenossen lag zeitweise im negativen Bereich. Trotz dieser unterirdischen Zinsen erzielten Franken-Obligationen im Jahr 2016 eine Rendite von über 1 Prozent, Schweizer Immobilien – als Fonds und Anlagestiftungen gehalten – brachten rund 5 Prozent, Aktien Schweiz belasteten zum Leidwesen der Indexierer wegen der drei Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche mit -1 Prozent und Aktien Ausland warfen 9 Prozent ab. Einmal mehr hat der globale Aktienmarkt die Rendite primär dem dominierenden US-Markt zu verdanken, der in Franken gerechnet 13 Prozent abwarf. Die übrigen ausländischen Aktienmärkte entwickelten sich meist weniger gut. So schloss der europäische Markt fast ausgeglichen mit einem Plus von 1 Prozent.
Wer sich auf Marktprognostiker und politische Auguren stützte, erlebte manche Überraschung und konnte dabei etwas lernen: Die Wahl von Trump wurde nicht erwartet, im Fall seiner Wahl schienen hingegen Marktturbulenzen sicher. Die Mehrheit lag mit der Prognose zwar zweimal falsch, die Positionierung mit genügend Aktien erwies sich aber als goldrichtig. Was im Nachhinein als Können erschien, war wohl oft das Glück des Unwissenden. Auch der Brexit galt lange als unmöglich und geschah dann doch. Dies schickte das Pfund auf Talfahrt und fachte bei vielen Anlageverantwortlichen die im Jahr 2015 mit der Frankenaufwertung lancierte Diskussion um Währungsabsicherungen in der Strategie wieder an.
Mit Blick auf die Historie und die ökonomischen Fakten lässt sich dazu sagen: Fremdwährungen lohnen sich bei Obligationen langfristig nicht, eine potenziell höhere Verzinsung wird durch Währungsverluste aufgefressen. Bei Realwerten wie Aktien ist es anders. Eine internationale Risikostreuung ist vorteilhaft. Die Absicherung der Fremdwährungen kann sich der Investor sparen, weil Währungsverluste durch höhere Renditen in der jeweiligen Lokalwährung langfristig kompensiert werden. Aktuelles Beispiel sind die UK-Aktien: Während nach dem Brexit das Pfund tauchte, kletterten die Aktien in Lokalwährung unter anderem dank verbesserter Exportaussichten und bilanzieller Bewertungseffekte in die Höhe, sodass in Franken gerechnet eine mit dem europäischen Umland vergleichbare Rendite resultierte. Dieser Ausgleich greift insbesondere langfristig: Seit 1970 warfen UK-Aktien in Pfund 10.3 Prozent pro Jahr ab, Deutsche Aktien in Mark respektive Euro 7,3 Prozent. Das Pfund war historisch deutlich schwächer als die Mark. Während sich aus Schweizer Sicht die Mark halbierte, verlor das Pfund fast 90 Prozent an Wert. Dennoch erzielten beide Märkte in Franken gerechnet 6 Prozent pro Jahr – ohne Absicherung. Wurde die Währung abgesichert, lag die Rendite auch bei geringen Absicherungskosten tiefer.
Eine weitere Strategiefrage wird kontrovers diskutiert: Sowohl Aktien als auch Obligationen hätten im seit Anfang der 1990er Jahre andauernden internationalen Zinssenkungsprozess massiv profitiert. Wenn eine Trendwende käme, kämen beide Anlagekategorien massiv unter die Räder.
Es stimmt natürlich, dass langlaufende Obligationen bei einem Zinsanstieg markant verlieren. Dessen sollten sich vor allem jene bewusst sein, die mit der Indexierung seit der Finanzkrise eine Verlängerung der Duration um knapp 50 Prozent stillschweigend hingenommen haben! So würde eine Erhöhung der Zinsen um 2 Prozentpunkte im Schweizer Obligationenmarkt zu einem Verlust von 15 Prozent führen. Auch Aktien können, müssen aber nicht zwingend bei einem Zinsanstieg betroffen sein. Denn interessant ist, dass Schweizer Aktien im letzten Zinssteigerungsprozess von 1954 bis 1990 pro Jahr mit 7,7 Prozent rentierten. Das ist exakt dieselbe Jahresrendite wie über die verfügbare Gesamtperiode von 1926 bis 2016, die sowohl Zinssteigerungen als auch Zinssenkungen beinhaltet. Statt primär über Aktien, sollten sich die Anleger eher Gedanken machen über die deutlich zinssensitiveren Immobilien. Mit diesen verlor man im Nachgang zum Zinsschock Anfang der 1990er Jahre je nach Nutzungsart einen Viertel bis einen Drittel des realen Werts.
«Pensionskassenverantwortliche müssen den Mut haben, bei ALM-Studien den gewünschten Umfang klar vorzugeben, auf Anlagekategorien mit Pseudodiversifikationseffekt zu verzichten, den viel gepriesenen Core-Satellite-Ansatz kritisch zu hinterfragen und bei Unklarheiten in der Analyse wiederholt nachzufragen.»
Was bedeutet dies nun? Pensionskassen sind gut beraten, nicht aufgrund aktueller Besonderheiten traditionell bewährte, liquide und transparente Anlagekategorien zugunsten von neuen «Hoffnungsträgern» zu reduzieren. Der Pensionskassen-Index der Credit Suisse lässt nämlich genau dies befürchten: Über die letzten zehn Jahre hat die durchschnittliche Allokation in Aktien um 2 Prozentpunkte auf knapp 31 Prozent abgenommen. Indes haben Immobilien um 9 Prozentpunkte auf 23 Prozent und alternative Anlagen um über 4 Prozentpunkte auf fast 6 Prozent zugenommen. Ein Schelm, wer eine gewisse Prozyklizität vermutet! Oder? Etliche Berater propagieren in ihren Asset-Liability-Management- oder kurz ALM-Studien die illiquiden Anlagen: Es bestünde die Aussicht auf höhere Renditen bei geringeren Risiken. ALM scheint dann für «alles Liquide meiden» zu stehen. Solche pseudowissenschaftlichen Studien sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Denn es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn einerseits transparente Anlagekategorien reduziert und trotz Klumpen- und anderer Risiken konsequent mit dem Argument indexiert werden, der Markt sei nach Kosten kaum zu schlagen. Während andererseits bei intransparenten Anlagekategorien – wie Private Equity, Infrastruktur- und Schwellenmarktanlagen sowie gewissen Hedge Funds oder Immobilien Ausland – gehofft wird, nach den signifikant höheren Kosten mehr zu erzielen und das Gesamtrisiko zu reduzieren. Gänzlich grotesk wird es, wenn in der Beratungsbranche für die Berechnung der strategischen Allokation als erwartete Renditen die Konsensprognosen der Anlagekategorien jener aktiven Manager herangezogen werden, die sich angeblich als untauglich erwiesen haben, diese Anlagekategorien zu verwalten.
Deshalb gilt: Weniger ist mehr! Das gilt auch bei der Komplexität. Berater leben jedoch vom Schaffen und Bewirtschaften von Komplexität. Pensionskassenverantwortliche müssen deshalb den Mut haben, bei ALM-Studien den gewünschten Umfang klar vorzugeben, auf Anlagekategorien mit Pseudodiversifikationseffekt zu verzichten, den viel gepriesenen Core-Satellite-Ansatz kritisch zu hinterfragen und bei Unklarheiten in der Analyse wiederholt nachzufragen. Denn bei Anlagefragen führt rationales Abwägen, selbst wenn in einem Gremium nur Laien sind, oft nicht zu einem schlechteren Ergebnis als der Beizug (zu) vieler Experten.
THOMAS HAUSER
Dr. rer. pol.,
Partner bei Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG
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