Was Land und UBS wirklich nützt
Die Empfehlungen der Parlamentskommission zum Untergang von Credit Suisse sind zahnlos und praxisuntauglich. Für die einzig verbleibende Grossbank der Schweiz empfiehlt sich effektiv nur eines.
Zwei Tage vor der Veröffentlichung des Berichts der Parlamentskommission (PUK) zum Untergang von Credit Suisse verlautete Christoph Mäder, Präsident von Economiesuisse, in der NZZ: «CS ist nicht am mangelnden Eigenkapital oder an fehlender Liquidität gescheitert, sondern an einer Vertrauenskrise und dem darauffolgenden Bank Run.» Spätestens heute wissen wir, dass diese verbreitete Meinung falsch ist. CS ist am Fehlen von Eigenkapital und an einem Mangel an Liquidität zusammengekracht.
Die Finanzmarktaufsicht (Finma) hat der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut und sie im Glauben gelassen, die Bank sei solide kapitalisiert, obwohl der serbelnde Aktienkurs und die explodierenden Risikoprämien (Credit Default Swaps) längst signalisierten, dass CS auf dem Sterbebett liegt, nicht mehr kreditwürdig und ihr Buchwert respektive Eigenkapital nicht mehr werthaltig ist. Spätestens 2021 war CS unterkapitalisiert. Das nach der Finanzkrise von der Brunetti-Kommission erarbeitete Regime zum Too-big-to-fail-Problem (TBTF) erwies sich als praxisuntauglich. Die Bank konnte nicht abgewickelt werden, weil weltweit die Angst vor einer Ansteckung und einer Systemkrise grassierte. Dabei befanden sich die Behörden in einem fürchterlichen Dilemma.
Hätten sie die Wahrheit über den Gesundheitszustand von CS frühzeitig kommuniziert und CS angewiesen, die zur Sanierung geschaffenen AT1 Bonds in Eigenkapital zu wandeln, hätte dies eine Panik an den Märkten ausgelöst, die den Untergang der Bank erst recht forciert hätte. Die Nichtkommunikation könnte die Steuerzahler im Kontext der AT1 Bonds teuer zu stehen kommen, denn die Kläger werden sich auf die offiziellen Statements von Finma und Schweizerischer Nationalbank (SNB) berufen, dass bezüglich Eigenkapital und Liquidität bis zuletzt alles bestens gewesen sei.
Am Ende genügt ein Windstoss
CS hat innerhalb ihres letzten Lebensjahrzehnts aufgrund von Skandalen und Bussen die sagenhafte Summe von 32,7 Mrd. Fr. an Verlusten angehäuft und parallel Boni in Höhe von 31,7 Mrd. Fr. ausgezahlt. Wenn das Eigenkapital schmilzt wie Schnee an der Sonne, kippt irgendwann das System, und die Investoren rennen in Panik zum Ausgang, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Am Ende braucht es nur noch ein kleines Windstösschen für den Entzug des Vertrauens und einen Bank Run - beispielsweise den belanglosen Tweet eines unbekannten australischen Journalisten.
Der Public Liquidity Backstop soll zukünftig die staatliche Vergabe von Liquidität erleichtern. Allerdings unterliegt er denselben Fallstricken wie die untauglichen TBTF-Regeln. Das öffentliche Eingeständnis von Staatshilfe führt nämlich in jedem Fall zu verheerenden Signalen und einer Panik an den Kapitalmärkten. Das Vertrauen der Investoren bricht dann definitiv weg, und Aktionärsaktivisten treiben die havarierte Bank mit Short-Positionen vor sich her oder übernehmen sie.
Deshalb hat CS im Herbst 2022 mit gutem Grund mehrmals auf die Inanspruchnahme von Liquidität verzichtet. Darüber hinaus legt der PUK-Bericht offen, dass die von CS bei der SNB eingereichten Sicherheiten nicht genügten, um die erforderlichen Kredite zu erhalten. Das lässt wiederum den Schluss zu, dass zu wenig Eigenkapital vorhanden war. CS wies rechnerisch rund 5, unter Ausschluss der Erleichterungen effektiv sogar nur rund 2 oder 3% hartes Eigenkapital aus - viel zu wenig, um bei der SNB an Kredite respektive Liquidität zu gelangen, ohne dass die Nationalbank selbst verantwortungslose Risiken eingeht.
Aufgrund ihrer eigenen Geschäftstätigkeit mit Kunden hätten die CS-Bosse eigentlich wissen müssen, dass Kredit nur erhält, wer über genügend Eigenmittel verfügt. Warum die Regeln, die die Bank ihren Kunden diktiert, für sie selbst nicht gelten sollen, ist nicht nachvollziehbar. Die Hauptursache für den dramatischen Liquiditätsabfluss liegt folglich in der notorischen Unterkapitalisierung von CS.
Die PUK empfiehlt, die mit der Erteilung von Staatsgeldern verbundene Stigmatisierung zu verringern. Unter der Massgabe, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat zu erfahren, wenn eine Bank Staatshilfe erhält, gleicht diese Forderung der Quadratur des Kreises. Wer im Haifischbecken der Finanzmärkte zugibt, halbwegs tot zu sein, ist es spätestens einen Augenblick später.
Eine mächtigere Finma und eine bezüglich Liquiditätsversorgung grosszügigere SNB werden einen theoretischen Kollaps von UBS in Zukunft nicht verhindern können. Die Forderung der PUK, die Aufsicht personell aufzurüsten und Bussen verteilen zu lassen, den Gewährsentzug für unfähige Manager zu forcieren oder Boni zu verbieten, führt höchstens dazu, dass sich Bankkunden und Öffentlichkeit in Sicherheit wiegen. Nicht Behördenmitglieder führen eine Bank, sondern der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung. Diese stehen in der Verantwortung - auch für das Scheitern.
Es soll weniger, aber effizienter reguliert werden. UBS weist weltweit die mit Abstand grösste Bilanzsumme in Bezug auf die jährliche Wirtschaftsleistung ihres Heimatlandes auf. Während die Quote beim US-Giganten JPMorgan 14% und bei der Deutschen Bank 32% beträgt, erreicht UBS einen Wert von sagenhaften 175%. Damit sie grössere Krisen überleben kann, gibt es nur ein probates Mittel, das effizient eingesetzt und einfach kontrolliert werden kann: eine hohe Eigenkapitalisierung.
Folgt man den renommierten Wissenschaftlern Anat Admati, Martin Hellwig und Nobelpreisträger Simon Johnson, sollte UBS über ein hartes Eigenkapital von mindestens 15 bis 20% verfügen - das ist das Dreifache dessen, was sie heute hat. Nur so lässt sich ein Bank Run mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft verhindern. Will man darüber hinaus UBS im Bedarfsfall abwickeln können, ohne den Steuerzahler zur Kasse bitten zu müssen, sind hohe Polster ebenfalls Voraussetzung, denn bei Notverkäufen wird es naturgemäss schmerzliche Abschläge auf den Buchwert zu akzeptieren geben.
Guter Job von Ermotti
Mantrahaft wird verkündet, hohe Eigenmittel würden die Wettbewerbsfähigkeit von UBS einschränken und Kredite verteuern - eine Mär, die mit ihrer Wiederholung nicht wahrer wird. Das Gegenteil ist der Fall. Am Beispiel CS zeigte sich exemplarisch, wie eine Unterkapitalisierung die Refinanzierung am Kapitalmarkt verteuert oder sogar verunmöglicht. Eine gut kapitalisierte Bank wird als sicher wahrgenommen und ist widerstands- und wettbewerbsfähiger. Genau das ist UBS, ihren Aktionären und Kunden zu wünschen. Kantonalbanken weisen teilweise eine viel höhere Eigenkapitalquote auf und sind damit sehr erfolgreich.
Die Jagd von Spitzenbankern nach hoher Eigenkapitalrendite, die naturgemäss mit tiefen Eigenmitteln einfacher zu erzielen ist und als Basis für ihre exorbitanten Bonusbezüge dient, muss ein Ende haben. Das Spiel der Hasardeure ist im Fall systemrelevanter Banken, die faktisch über eine Staatsgarantie verfügen, selbst für lupenreine Verfechter der freien Marktwirtschaft inakzeptabel.
Zweifellos machen Colm Kelleher und Sergio Ermotti zurzeit einen guten Job. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass vor gut eineinhalb Jahrzehnten auch UBS vom Bund gerettet werden musste. Wer garantiert uns, dass das in zehn oder zwanzig Jahren mit einer dann neuen Crew nicht wieder passieren wird? Zur Rettung von CS ging die öffentliche Hand in einer konjunkturellen Schönwetterphase mit 257 Mrd. Fr. ins Risiko. Tobt ein Orkan, wird UBS aufgrund ihrer schieren Grösse «too big to rescue» sein. Hohe Eigenmittel sind der einfachste und effizienteste Schutz gegen ein zukünftiges Fiasko und stärken die Wettbewerbsfähigkeit von UBS.
Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar
- Interessenkonflikte
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