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Ungemach für Indexorientierte

Ungemach für Indexorientierte

Passiv investierte Anlegerinnen und Anleger sind stark von der Zinswende betroffen. Auch der Ukraine-Krieg macht Sorgen.

Als Konsequenz aus kaum mehr existierenden Zinsen haben viele Unternehmen und Staaten die Laufzeiten ihrer Schulden massiv ausgeweitet, um die günstigen Finanzierungsbedingungen langfristig zu sichern. So hat die Eidgenossenschaft eine fünfzigjährige Obligation emittiert, während Länder wie Frankreich, Italien, Österreich und Spanien sogar hundertjährige Papiere an renditehungrige Investoren weiterreichen konnten. Die markante Ausweitung der Laufzeiten liess die Duration des Swiss Bond Index seit der Finanzkrise von rund fünf auf gegen acht Jahre ansteigen.

Das Risiko respektive die Zinssensitivität passiver Anlegerinnen und Anleger hat sich damit um tektonische 60 Prozent erhöht. In Zeiten erodierender Zinsen war eine hohe Duration ein Segen für die Obligationäre. Seit die Inflation in den Vereinigten Staaten von Amerika gegen 8 und in Europa über 7 Prozent gestiegen ist und das Fed die Zinswende eingeläutet hat, hat sich der Segen zum Fluch verkehrt. Die mit dem Zinsanstieg verbundenen Erschütterungen respektive Kursverluste auf Obligationenbestände fallen für indexorientierte Anlegerinnen und Anleger aufgrund der prozyklisch verlängerten Duration sogar höher aus als die bei sinkenden Zinsen erzielten Gewinne.

Passive Anleger sehen sich mit weiterer Unbill konfrontiert. Seit die Notenbanken marode Staaten um jeden Preis vor dem drohenden Bankrott bewahren und sie deren Anleihen haufenweise auf ihre Bücher nehmen, haben viele Investoren eine Vollkaskomentalität entwickelt und sind sorglos geworden. In zinslosen Zeiten jagen sie nach Renditen von Anlagen mit Ramschqualität und halten frivol Zombie-Anleihen von Schuldnern, die im Grunde nicht kreditwürdig sind.

Beispiel Griechenland: Noch im Jahr 2012 musste das notorisch pleitegefährdete Land horrende 35 Prozent an Zinsen bezahlen. Der berühmte Satz «Whatever it takes …» des früheren EZB-Notenbankchefs Mario Draghi hat dann dazu geführt, dass sich die Griechen trotz rekordhoher Verschuldung Geld für 1 bis 2 Prozent borgen konnten.

Wer indexiert investiert, ist ausgerechnet in den Schuldenkönigen prominent engagiert, denn das Paradoxe an der Gewichtung von Obligationenindizes ist, dass genau die Schuldner das grösste Gewicht einnehmen, die am stärksten verschuldet sind. In den internationalen Indizes sind dies die USA und Japan, deren Verbindlichkeiten in den letzten Jahren förmlich explodiert sind. Wenn die Notenbanken ihr gigantisches Anleihenkaufprogramm einstellen und die Zinsen merklich steigen, werden nicht wenige Unternehmens- und Staatsschuldner mit fragwürdiger Bonität in ihrer Existenz bedroht sein und es wird zu Verwerfungen an den Zinsmärkten kommen.

Vorboten einer Junk-Bond-Krise sind seit dem Ukraine-Krieg bereits wahrnehmbar. Noch Anfang Jahr wurden konservativen Schweizer Anlegerinnen und Anlegern in Franken denominierte Anleihen russischer Schuldner wie Gazprom oder der russischen Eisenbahn ins Portfolio gelegt, um Negativzinsen zu umgehen. Das rächt sich nun abrupt, denn in Russland droht der Staatsbankrott. Ob sich passive Investoren, die sich am Obligationenindex SBI AAA-BBB orientieren, bewusst sind, dass sie hochspekulative Ramschpapiere halten, die nun einen Grossteil ihres Wertes verloren haben? Aber nicht nur Obligationäre, auch Aktieninvestoren, die den Weltmarkt über ETF passiv abdecken, sind vom Absturz der russischen Börse betroffen.

Wer seine Aktienanlagen konsequent indexiert, hat ein Klumpenrisiko im amerikanischen Aktienmarkt. Dieser repräsentiert mittlerweile fast 70 Prozent des Weltindex MSCI World und ist im Vergleich mit anderen Ländern hoch bewertet. Index-Schwergewichte von Tech-Giganten wie Amazon, Meta (Facebook), Netflix oder Tesla sind in der Vergangenheit regelrecht durch die Decke geschossen. Steigende Zinsen sind aber Gift für Wachstumswerte, weil ihre potenziellen Gewinne weit in der Zukunft liegen und diese nun mit höheren Zinsen diskontiert werden müssen. Die bereits eingesetzte Korrektur hoch bewerteter Titel könnte sich beschleunigen, weshalb sich passive Anleger warm anziehen müssen.

Passiv und nachhaltig als Widerspruch

Der Trend zu nachhaltigem Investieren bringt passiven Anlegern weiteres Ungemach. Wer konsequent indexiert anlegt, muss im Grunde alles kaufen, auch Schrott: Waffenproduzenten und CO2-Dreckschleudern gehören genauso dazu wie Sündenunternehmen, die systematisch Menschenrechte verletzen oder Kinderarbeit fördern. Ungefiltertes Indexieren ist offensichtlich mit dem Bedürfnis, nachhaltig anzulegen, nicht vereinbar. Auch erfordert nachhaltiges Anlegen aktive Entscheide, um zu definieren, was überhaupt nachhaltig ist. Banken empfehlen ihren Kunden deshalb gerne ihre Nachhaltigkeitsfonds.

Sind sie die Lösung? Zweifel sind angebracht. Erstens sind solche Produkte oft sehr teuer, was die Anlagerendite schmälert. Zweitens sind die Meinungen, was überhaupt nachhaltige Anlagen sind, in der Praxis sehr divergent. Während der eine Anleger die Priorität im ESG-Universum auf das E (Umweltkriterien) legt, fokussiert die andere auf S (soziale Kriterien), und eine dritte legt ihr Augenmerk auf das G (Unternehmensführung).

Es ist also wenig überraschend, dass sich die führenden Rating-Agenturen MSCI, S&P Global, Sustainalytics und Refinitiv in der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Unternehmen zum Teil diametral widersprechen. Während etwa Nestlé, Roche und UBS bei S&P Global hervorragende Ratings erhalten, landen dieselben bei Sustainalytics im schlechtesten Drittel. Dafür sind Adecco, Lonza, Swatch Group sowie Richemont bei Sustainalytics top und bei S&P Global ein Flop (siehe auch «Handelszeitung» Nr. 50 vom 9.12.2021 und Nr. 43 vom 21.10.2021). Weil die Beurteilung, was nachhaltige Anlagen sind, subjektiven Kriterien unterliegt, sind standardisierte Nachhaltigkeitsfonds und ETF keine Lösung. Effizienter und kostengünstiger ist es, mit erstklassigen Direktanlagen die Nachhaltigkeitskriterien der einzelnen Investoren individuell abzubilden.

Durch den gezielten Einsatz von Direktanlagen gelingt es in Zeiten steigender Zinsen, die antizyklisch zu steuernde Duration und die gewünschte Qualität der Obligationen optimal in einem individuellen Portfolio abzubilden.


Finanz und Wirtschaft
28. April 2022

Autor

Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar.


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