The party is going (wr)on(g)
Mit dem für Pensionskassen traditionell wichtigen Baustein der Franken-Obligationen von Anlagequalität liess sich im Jahr 2017 nur 0,1 Prozent verdienen, indes brachten Emerging Market Bonds in Franken abgesichert rund 3,5 oder Junk Obligationen 5.5 Prozent. Die hohen erzielten Renditen von Obligationen fragwürdiger Bonität sind wie Opium, das die Sinne kurzfristig benebelt. Lassen sich die Anleger die teils horrenden Risiken langfristig wirklich adäquat entschädigen? Leicht geht vergessen, dass sich die erwartete «Rendite auf Verfall» stark von der «Rendite bei Ausfall» unterscheiden kann: So wurden im Juni des vergangenen Jahrs die Pflichtwandelanleihen der Banco Popular Español über Nacht wertlos, nachdem der Regulator die Bank als nicht mehr überlebensfähig einstufte. Ein anderes Beispiel verkörpert die Anleihe der Air Berlin, die im August Insolvenz anmelden musste. Die in Franken emittierte Anleihe kam im Frühjahr 2014 mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Coupon von 5,625 Prozent auf den Markt. Nun ist sie wertlos.
Hingegen sind versteckte Risiken noch gefährlicher als offensichtlich schlechte Bonitäten. Ein staatlich abgesegneter Etikettenschwindel sind die neuen «Senior Non-Preferred Bonds» vieler Banken. «Senior» lässt vermuten, die Anleihen seien erstrangig – sind sie aber nicht, denn im Krisenfall dienen sie zur Sanierung einer in Schieflage geratenen Bankbilanz. Diese Anleihen liegen irgendwo zwischen erst- und nachrangig. Sind sich die Anleger dessen bewusst? Und Indexierer aufgepasst! Diese «Senior Non-Preferred Bonds» haben es in die grossen Bond-Indizes geschafft; das ausstehende Volumen beträgt bereits Dutzende von Milliarden.
«Das grösste Risiko für Anleger besteht langfristig nicht darin, den richtigen Zeitpunkt für Ein- und Ausstieg zu finden, sondern vielmehr darin, nicht oder falsch investiert zu sein.»
Während Schweizer Immobilien bis zu 5 Prozent abwarfen, brillierte ein globales Aktienportfolio in Franken gerechnet mit rund 18 und Schweizer Aktien mit 20 Prozent. Obschon dies sensationell erscheint, ist festzuhalten: In fast einem Drittel aller Jahre seit 1926 haben Schweizer Aktien gleich gut oder noch besser abgeschnitten. Sind nun die Aktien
teuer? Gemäss der nie aussterbenden Spezies der Crash-Propheten hätte es längst Rückschläge geben sollen. Gewiss ist, dass es früher oder später wieder Rückschläge an den Börsen geben wird. Was hilft diese Erkenntnis? Eigentlich nichts, denn eine Prognose hätte nur einen Nutzen, wenn man auch den Zeitpunkt des Eintreffens exakt wüsste. Dass es nicht ratsam ist, sich zu sehr auf die Timing-Fähigkeiten zu verlassen und jeweils einen möglichst
optimalen Aus- und Wiedereinstieg in Aktien anzustreben, zeigt eine amerikanische Studie: Eine Anlegerin, die es schafft, immer zehn Monate vor einem Börsenhöchst auszusteigen und zehn Monate nach dem Tiefstpunkt wieder einzusteigen, fährt markant schlechter, als wenn sie immer investiert gewesen wäre. Seit 1936 hätte sie trotz guter Timing-Fähigkeiten nämlich auf einen Fünftel der Rendite verzichten müssen. Das grösste Risiko für Anleger besteht langfristig nicht darin, den richtigen Zeitpunkt für Ein- und Ausstieg zu finden, sondern vielmehr darin, nicht oder falsch investiert zu sein.
Einmal mehr muss hervorgehoben werden, wie wichtig es ist, an einer Strategie festzuhalten. Weder Gier noch Angst sind gute Ratgeber. Ein bisschen Angst war wohl auch im Spiel, als viele Pensionskassen im Nachgang zur Aufhebung der Euro-Kursuntergrenze im Januar 2015 über die Absicherung von Währungsrisiken bei Aktien zu sinnieren begannen. Obschon langfristig kaum etwas für eine Währungsabsicherung bei Realwerten spricht – schon gar nicht, wenn die Fremdwährungen gemäss Kaufkraftparität unterbewertet sind –, haben etliche Pensionskassen jüngst die Absicherung der Währungen bei den ausländischen Aktien eingeführt. Dieser prozyklische Entscheid hat nun mit der Abschwächung des Frankens rund 4 bis 5 Prozent Rendite auf dieser Anlagekategorie gekostet. Zum Glück war das Jahr insgesamt dennoch sehr erfreulich.
Eine gute Anlagerendite birgt auch das Risiko, dass strukturelle Herausforderungen von den Verantwortlichen und der Politik nicht angegangen werden. Vor dem Hintergrund, dass viele Pensionskassen, insbesondere die staatsnahen, ihre Leistungen nicht generationengerecht und nicht nachhaltig finanziert haben, erscheint das viel diskutierte Thema nachhaltige Anlagen wie ein Ablenkungsmanöver. Die grösste schweizerische Pensionskasse PUBLICA verzichtet seit Juni 2017 auf Investitionen in Rüstungshersteller und Kohleförderer. Der norwegische Staatsfonds schliesst wie die Pensionskasse der Stadt Zürich Unternehmen aus ihrem Anlageuniversum aus, die Antipersonenminen oder Streubomben herstellen. Interessant ist dabei, dass trotz identischer Vorgaben Letztere mehr als doppelt so viele Unternehmen ausschliesst. Soll man, wenn man auf Rüstungstitel verzichten will, auch Unternehmen ausschliessen, die nur einen marginalen Umsatz im Rüstungsbereich machen?
Jede Armee verpflegt ihre Soldaten. Soll demnach auch ein Anlageverbot für die betreffenden Nahrungsmittelhersteller gelten?
Die obigen Beispiele zeigen die Schwierigkeiten auf, die bei der Umsetzung einer nachhaltigen Anlagepolitik unweigerlich bestehen: Es gibt keine objektive und allgemein- gültige Definition für Nachhaltigkeit. Somit steht, erstens, das Weglassen einzelner Titel oder Branchen im krassen Widerspruch zur Indexierung und, im Extremfall, zum Primat der Diversifikation. Das Abbilden beliebig konstruierter Nachhaltigkeitsindizes vermag auch keine Abhilfe aus dem Dilemma zu schaffen. Zweitens machen die vielen angeblich nachhaltigen Produktinnovationen skeptisch – das einzig Nachhaltige sind oft die nachhaltig höheren Kosten. Und drittens ist die Bescheinigung einer nachhaltigen Geschäftspolitik kein Garant für Performance.
Selbstverständlich sollen Nachhaltigkeitskriterien in eine weitsichtige, aktive Anlagepolitik einbezogen werden. Aber bitte mit Augenmass! Zudem ist das Hinwirken auf eine nachhaltige Führung der Pensionskasse, also ohne Umverteilung zwischen Jung und Alt, von übergeordneter Wichtigkeit. Aktien sind hierfür ein wichtiger Beitragszahler, was auch weiterhin der Fall sein kann. Würde sich jedoch die derzeit im historischen Vergleich hohe Bewertung der Aktien durch eine mehrjährige, unterdurchschnittliche Rendite der Aktien normalisieren – es braucht dazu nicht wie von Crash-Propheten unterstellt einen Börseneinbruch –, ist jede Pensionskasse froh, wenn sie die Hausaufgaben auf der Leistungsseite gemacht hat.
THOMAS HAUSER
Dr. rer. pol., Partner bei Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG
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