So legen die Reichsten ihr Geld an
Eine Studie von UBS gibt interessanten Aufschluss über die Anlagepolitik der Vermögendsten in aller Welt. Was Durchschnittsinvestoren daraus lernen können.
Viele Invstoren beschäftigen sich in der Geldanlage mit der Frage, wann das richtige Timing für den Kauf und den Verkauf von Aktien ist oder welches gerade die aussichtsreichsten Titel sein könnten. Diese Fragen mögen spannend sein, aber sie sind im Grunde irrelevant oder zumindest zweitrangig. Der langfristige Börsenerfolg ist schliesslich nicht das Resultat orakelmässiger Vorhersagen, sondern die Folge einer optimalen Investitionsstrategie und der Wahl der aussichtsreichsten Anlagekategorien. Ein Blick auf die Allokation von Family Offices, die die Vermögen reicher Familien verwalten, gibt interessante Aufschlüsse.
Im «UBS Global Family Office Report 2024» wurden insgesamt 320 Single Family Offices aus aller Welt analysiert. Das Gesamtvermögen der repräsentierten Familien beläuft sich auf mehr als 600 Mrd. $, was die Studie gemäss Aussagen der Verfasser «zur umfassendsten und aussagekräftigsten dieser Art» macht.
Ultrareiche, die über ein für Investitionen zur Verfügung stehendes Vermögen von mehreren hundert Millionen oder gar einigen Milliarden verfügen, häufen ihren Reichtum nicht mit dem Sparbuch an. Grosse Vermögen werden durch Unternehmertum gebildet. Es erstaunt deshalb nicht, dass 50% der analysierten Vermögen in Aktien, der zweifellos auf lange Frist attraktivsten Anlageform, investiert sind. Davon sind 28% in kotierten Titeln und 22% in Private Equity (PE) angelegt.
«Gold ist in der langen Frist kein
lukratives Investment.»
Viel Aktien und wenig Immobilien
Bei in der Schweiz domizilierten Family Offices nehmen kotierte Aktien 31% und PE 18% ein. Der hohe Anteil nicht kotierter Aktien mag auf den ersten Blick erstaunen, nicht aber auf den zweiten: Er ist nicht zuletzt deshalb sehr hoch, weil darin auch umfassende Direktinvestitionen in Unternehmen enthalten sind, bei denen Familienaktionäre oft eine aktive Kontrolle ausüben.
Im Vergleich zu den Reichsten, die die Hälfte ihres Vermögens in Aktien angelegt haben, hält der Durchschnittsschweizer gemäss Daten der SNB für das Jahr 2023 nur rund 7% seines Ersparten in Aktien. Hingegen haben Frau und Herr Schweizer 47% ihres Vermögens in Immobilien investiert. Getrieben ist ihr mit Abstand grösster Vermögensbrocken vom Wunsch nach einem Eigenheim, der einen hohen Einsatz von Hypothekarkrediten erfordert. In dieser Vorliebe nach Betongold ergibt sich ein monumentaler Unterschied zur Anlagepolitik von Family Offices. Nur gerade 10% ihres Vermögens legen die Reichsten in Immobilien an, vorzugsweise in Direktanlagen. Innerhalb der Realwertquote, die bei den Vermögendsten der Welt insgesamt über 60% beträgt, sind Aktien somit die klare Nummer eins - weit vor Häusern, Eigentumswohnungen oder Gewerbebauten. Während Durchschnittsinvestoren die (Netto-)Rendite von Immobilienanlagen systematisch über- und die Risiken unterschätzen, nehmen die Reichsten diesbezüglich eine deutlich defensivere Haltung ein.
Wo haben die Vermögenden ihr Geld sonst noch angelegt? Erstaunlich hoch ist der Anteil an Anleihen und Kontogeldern. So sind 19% der Vermögen in kotierten Festverzinslichen und 2% in Private Debt investiert, während 10% auf Bankkonten liegen. Offenbar sehnen sich selbst Superreiche, die im Grunde über eine sehr hohe Risikofähigkeit verfügen, nach einer gewissen Sicherheit. Mit fast einem Drittel ihres Vermögens wollen sie flexibel auf alle möglichen Entwicklungen reagieren können. Wer nun aber glaubt, die Reichen würden bei ihrem Bedürfnis nach Sicherheit einen hohen Anteil Gold halten, täuscht sich. Nur gerade 1% wird im gelben Edelmetall gebunkert.
Zu Recht: Die Schwankungsrisiken sind mindestens so hoch wie diejenigen von Aktien, während die langfristige Rendite gerade einmal die Höhe der Inflation ausgleicht. Gold ist in der langen Frist kein lukratives Investment. Ziemlich vernachlässigbar in der Höhe sind auch Anlagen in Infrastruktur, Kunst und Rohstoffe. Jede dieser Kategorien repräsentiert weniger als 1% der Gesamtvermögen der Reichen. Kunst ist für sie mehr Hobby als Kapitalanlage.
Überraschend ist der Anteil von 5% bei den Hedge Funds. Diese komplexen und mit viel Fremdkapital gehebelten Produkte sind sehr gebührenintensiv, weshalb ihre Rendite in der langfristigen Perspektive meist ernüchternd ausfällt. Warum investieren Family Offices trotzdem in Hedge Funds und PE-Funds-of-Funds-Konstrukte, obwohl sich die Investoren gemäss dem Bericht von UBS Sorgen um die Liquidität und die damit zusammenhängenden Exit-Möglichkeiten machen?
Sich unersetzlich machen
Es mag zynisch klingen: Genauso wie einige Consultants von Pensionskassen haben auch Family-Office-Manager ein gewisses Interesse an Komplexität, um ihre eigene Position als «Supervisor» gegenüber ihren vermögenden Auftraggebern zu festigen und sich unersetzlich zu machen. Das lässt sich mit einem Anteil komplexer und überwachungsintensiver Produkte, denen es oft an Transparenz mangelt, bewerkstelligen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Family-Office-Manager von der gut geölten Marketing-Maschinerie der Finanzbranche gebührend hofiert werden.
Interessante Erkenntnisse ergeben sich auch bei der Betrachtung, in welchen Regionen die Vermögenden ihr Geld anlegen. Dabei stellt sich heraus, dass die Family Offices aus allen Ländern der Welt einem signifikanten Home Bias unterliegen. Amerikanische Family Offices investieren zu 82% in den Vereinigten Staaten, während die europäischen Vertreter nur 38% in dieser Region anlegen. Umgekehrt investieren Superreiche aus Amerika gerade einmal 10% im europäischen Raum, während die Investoren auf dem alten Kontinent satte 54% in ihrer Region anlegen.
Starker Home Bias
Der ausgeprägte Home Bias gibt einen Hinweis darauf, dass die Vermögendsten aktive Investoren sind. Würden sie nämlich konsequent passiv anlegen, dürfte ihr Herkunftsland keine massgebliche Auswirkung auf die geografische Verteilung ihres Vermögens haben. Bei den kotierten Aktien würde passives Investieren beispielsweise bedeuten, dass der Aktienindex MSCI World, der zu über 60% aus amerikanischen Unternehmen besteht, die Benchmark aller Family Offices sein müsste - unabhängig von ihrem geografischen Sitz. Dies ist nicht der Fall, was als Absage an das passive Investieren interpretiert werden kann.
Was können Durchschnittsinvestoren aus dem Anlageverhalten von Superreichen lernen? Erstens: Der mit Abstand grösste Teil unseres langfristig disponiblen Vermögens sollte in Aktien angelegt sein - sei es in börsennotierten oder privat gehaltenen Unternehmen. Da private und wohl auch die meisten institutionellen Anleger im Kontrast zu den Reichsten keinen privilegierten Zugang zu exzellenten Zielunternehmen im Bereich von Private Equity haben, empfiehlt es sich für sie, sich auf börsengehandelte Aktien zu beschränken.
Zweitens: Schweizer und auch deutsche Investoren haben ein viel zu hohes Gewicht an Immobilien, deren Rendite oft überschätzt und das Risiko unterschätzt wird. Drittens: Gold und Kryptowährungen spielen in den Vermögen der Reichsten keine relevante Rolle. Viertens: Family Offices investieren aktiv und fokussieren sich auf wenige, aber die erfolgversprechendsten Anlagekategorien.
Das Orakel von Omaha, Warren Buffett, hat es einmal wie folgt auf den Punkt gebracht: «Der Unterschied zwischen erfolgreichen Leuten und sehr erfolgreichen Leuten ist, dass die sehr erfolgreichen Leute zu beinahe allem Nein sagen.»
Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar
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