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Nur Scheindiversifikation

Alternative Anlagen wegen Illiquidität überschätzt – Index oft ins Positive verzerrt

Ein gutes Diversifikationspotenzial sowie eine attraktive Rendite-Risiko-Relation seien die Vorteile von Private Equity, Hedge Funds, Waldparzellen (Timberland Investments) und Schiffsbeteiligungen, werben die Anbieter solcher alternativer Finanzanlagen. Die Börsenkrise offenbart nun, dass sie schlechte Diversifikatoren sind. Ein Portfolio aus hälftig Schweizer Obligationen und Aktien hat über zwölf Monate bis Ende Oktober 16,9% verloren. Wäre die Aktienquote hingegen zur Hälfte mit marktgehandelten Private Equity umgesetzt und würden statt Obligationen Hedge Funds gehalten, wäre der Verlust mit 33,4% fast doppelt so gross gewesen.

Wegen der Rückzugsbeschränkungen illiquider Anlagegefässe wird das ganze Ausmass der jetzigen Krise in den alternativen Finanzanlagen erst nach Monaten voll in der Performance sichtbar werden. In den letzten Jahren haben jedoch sowohl private als auch institutionelle Investoren den nichttraditionellen Anlageklassen zunehmendes Gewicht eingeräumt. Per Januar werden sie mit der Revision der BVV-2-Vorschriften gar in den Katalog der für Pensionskassen zulässigen Anlagen aufgenommen. Die bis anhin notwendige Ausnahmebegründung entfällt. Das muss Anlass für eine kritische Betrachtung sein.

Risikokennzahlen realitätsfern
Für liquide, börsengehandelte Anlagen ist jederzeit ein Marktpreis verfügbar, zu dem ge- oder verkauft werden kann. Die Konsequenz dieser Liquidität ist eine schnelle Informationsverarbeitung und somit schwankende Preise. Weil viele Anleger Kursschwankungen als emotional belastend empfinden, haben marketinggetriebene Finanzarchitekten die Illiquidität wiederentdeckt. Es ist paradox: Die Märkte sind effizienter als je zuvor, trotzdem wurden illiquide Anlagevehikel die Verkaufsschlager der letzten zehn Jahre.

Das Fehlen eines regelmässigen Handels und der Mangel objektiver Grundlagen für das Messen des Anlageerfolgs sind jedoch wesentliche Kritikpunkte. Viele Anbieter nutzen die Illiquidität, um den inneren Wert (NAV, Net Asset Value) scheinbar losgelöst von jeglichen Finanzmarktschwankungen von Jahr zu Jahr wachsen zu lassen. Mit solch realitätsfernen Werten werden dann Risikozahlen berechnet. Die Kursschwankungen seien geringer als in kotierten Aktien und die Diversifikationseigenschaften entsprechend besser, wird argumentiert.

Nicht selten fällt der stetig gestiegene innere Wert jedoch wie ein Stein, wenn der Preis den rauen Marktkräften ausgesetzt wird. Genau dies ist in diversen kotierten alternativen Anlagevehikeln zu beobachten. Das Argument, der «richtige» innere Wert sei höher als die Börsenbewertung, ist in zweierlei Hinsicht nutzlos. Erstens ist aus Sicht des Anlegers nur der effektiv realisierbare Marktpreis relevant – genau wie bei kotierten Aktien und Obligationen. Und zweitens wird der Willkür Tür und Tor geöffnet. Selbst wenn Marktwerte über oder unterschiessen können, sind sie dennoch die einzige objektive Bewertung.

Wertstabilität ein Trugschluss
Die Konzentration des Finanzmarketings auf den NAV täuscht eine Stabilität vor, die es nicht gibt. Der buchhalterische NAV der an der Schweizer Börse kotierten Private-Equity-Gefässe beispielsweise lag Ende Oktober zwischen 90 und 600% über dem Aktienkurs. Da wird den Investoren Sand in die Augen gestreut. Zudem können die auf den überhöhten NAV berechneten Verwaltungskosten auf den Marktwert bezogen exorbitant sein. Bei dieser Faktenlage muss sich jeder potenzielle Investor die Frage stellen, ob er den NAV als «Wert» alternativer Anlagen für bare Münze nehmen will. Nur diejenigen Anbieter, die derzeit massiv Anteile der eigenen Anlagevehikel vom Markt zurückkaufen, sehen für sich selbst den NAV tatsächlich als richtigen Wertmassstab an.

Das auf Illiquidität beruhende Problem der Scheindiversifikation besteht auch in Hedge Funds, die in nicht liquide Strategien investieren. In der «Finanz und Wirtschaft» vom 3. September meinte ein führender Exponent der Branche auf die Frage, weshalb das Geschäft mit Hedge Funds schlechter als bei der Konkurrenz laufe: «Wir haben zu lange an sehr liquiden und transparenten Strategien festgehalten.» Heisst dies, dass ein Teil des Erfolgs von Hedge Funds auf Intransparenz und Illiquidität zurückzuführen ist? Während die Illiquidität die wahre Anlageleistung glättet oder gar schönt, verhindert Intransparenz das Vergleichen.

Ein Vergleichsmassstab hat zwei zentrale Anforderungen zu erfüllen: Transparenz hinsichtlich der Berechnung und Repräsentativität für die betreffende Anlagekategorie. Benchmarks für alternative Anlagen zeichnen allzu oft ein zu rosiges Bild des Renditepotenzials und der eingegangenen Risiken. Der Verdacht besteht, dass Hedge Funds im Misserfolgsfall die Rendite nicht mehr freiwillig dem Indexanbieter zur Verfügung stellen. Wenn dieser dann den Fund nicht mehr in seinem Index berücksichtigt, entsteht ein verzerrter Leistungsausweis: die vor dem Ende eines Fonds negativ gewordenen Renditen werden ausgeblendet. Die Folge ist ein Survivorship Bias, denn die Indexentwicklung zeigt einzig Leistung der erfolgreichen, «überlebenden» Fonds.

Von den führenden Indexanbietern HFR, CS/Tremont, MSCI Barra, FTSE und S&P wollte ich wissen, wie stark ihre Renditeberechnungen verzerrt sein könnten. MSCI Barra, FTSE und S&P stellten keine Informationen zur Verfügung. Die Transparenz hinsichtlich der Indexberechnung ist somit trotz scheinbar detaillierten Methoden nicht wirklich gegeben.

Der Survivorship Bias ist – wie HFR bestätigt – ein Problem aller Indizes, die auf freiwilliger Performancemeldung der Hedge Funds beruhen. Die Wertanzeige solcher Massstäbe dürfte um 3 bis 5% p. a. zu gut dargestellt sein. Im CS/Tremont Investable und im HFRX Index besteht diese Verzerrung gemäss dem Anbieter nicht.Der Erste entfernt Fonds, die keine Performancezahlen melden, renditewirksam aus dem Index. Der weite fasst die Rendite tatsächlich investierter Mandate zusammen.
Dennoch ist Vorsicht angebracht. Der CS/Tremont Investable Hedge Fund Index kann zurzeit keinen regulären NAV berechnen, weil diverse Fonds für Rücknahmen geschlossen wurden oder keine Performancezahlen mehr liefern. Wie stark und wie rasch der NAV solcher Problemfonds im Index abgeschrieben wird, unterliegt letztlich diskretionärem Spielraum.

Schlechter als Aktien und Oblis
Der HFRX Global Hedge Funds Index hat im laufenden Jahr bis Ende Oktober auf Frankenbasis 20,3% verloren und ist somit um 4,7 Prozentpunkte schlechter als ein traditionell gemischtes Portfolio gemäss Pictet-BVG-40-Index (Aktienanteil von 40%). Obschon kotierte Private Equity-Anlagen gemessen am LPX Major Markets Index dieses Jahr 50% oder mehr eingebüsst haben, stehen nicht kotierte Beteiligungsvehikel wahrscheinlich noch immer nahe am Einstandspreis in den Büchern der Investoren.

Das revidierte Regelwerk für Vorsorgeinstitutionen verlangt mehr Eigenverantwortung nach dem Prinzip des sachkundigen Investors (Prudent Investor). Die Pensionskassenverantwortlichen müssen die Risiken genau kennen und verstehen. Deshalb muss sich letztlich jeder Anleger – sei er institutionell oder privat – die Frage stellen, ob nach Fiktion oder Fakt investiert werden soll. Die Schwankungsrisiken liquider Märkte mögen in turbulenter Zeit unangenehm sein. Wer sich aber nicht in naiver Weise einer Scheinsicherheit hingeben will und böse Überraschungen vermeiden möchte, investiert besser in solide, börsengehandelte, transparente und kostengünstige Direktanlagen: in Aktien und Obligationen.


19. November 2008


Autoren

THOMAS HAUSER
ist Partner der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar.


Kategorien
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