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Gute und schlechte Roboter – wie sie sich unterscheiden

Im Zuge des Kostendrucks sowie einer verstärkten Regulierung wird die Automatisierung in der Finanzbrache weiter voranschreiten. Besonders für Vermögen unterhalb der Millionengrenze werden digitalisierte Angebote an Bedeutung gewinnen. Doch was unterscheidet gute von schlechten Robotern?

Der im Nachgang der Finanzkrise eingetretene Regulierungsschub und der damit verbundene Margendruck fördern die Entwicklung von Robo-Advise, was teure Berater in der Vermögensverwaltung ersetzen soll. Doch selbstverständlich werden auch Roboter von Menschen «gefüttert». Jede Empfehlung, die ein Roboter seinen Kunden gibt, basiert auf den Überzeugungen von Menschen.

Wenn aber schon menschliche Berater oft wenig Skrupel haben, ihre Kunden mit hochmargigen, komplexen und intransparenten Produkten zu bedienen und unnütze Transaktionen zu veranlassen, so ist anzunehmen, dass die Hemmschwelle bei denselben Menschen noch tiefer liegen wird, ihre Klientel mit anonymisierten Robotern zu «melken». Denn Roboter haben im Gegensatz zu vielen menschlichen Beratern definitiv keine Moral. Ein guter Roboter wird diesen süssen Verlockungen aber nicht verfallen. Voraussetzung dafür ist, dass er von guten Menschen «gefüttert» wird, die über einen hohen Sachverstand verfügen und das Geld ihrer Kunden so verwalten, wie wenn es ihr eigenes wäre.

Für kleinere Vermögen

Ein guter Roboter wird seinen Kunden ausschliesslich transparente und kostengünstige Produkte anbieten. Das sind in erster Linie börsengehandelte Indexprodukte, also sogenannte Exchange-Traded Funds (ETF). Bereits mit wenigen Produkten, die beispielsweise den Weltaktienindex, den Schweizer Aktienmarkt oder einen breit gestreuten Obligationenindex abbilden, lässt sich auch für kleinere und mittlere Vermögen unterhalb der Millionengrenze eine ausgezeichnete Diversifikation erreichen.

ETF bieten sich auch deshalb an, weil die meisten aktiven Vermögensverwalter nicht in der Lage sind, die Performance indexierter Anlagen zu übertreffen. Auf jede Empfehlung von illiquiden, intransparenten und hochmargigen Produkten wie Hedge-Funds, Private-Equity-Anlagen, Junk-Bonds, Infrastrukturanlagen oder strukturierte Produkte soll ein guter Roboter hingegen verzichten, da deren Komplexität und Risiken den potenziellen Kunden mit standardisierten und digitalisierten Fragebögen überfordern.

Schlechte Psychologen

Fühlt sich ein Kunde mit solchen Produkten falsch beraten, wird er sich wohl kaum bei einem Roboter beschweren können, sondern landet in einem Call-Center, dessen Angestellte weder Sachverstand noch Schuldgefühl oder persönliches Verantwortungsbewusstsein verkörpern. Das persönliche Einfühlungsvermögen, das im Direktgespräch zwischen dem menschlichen Vermögensverwalter und seinem Kunden eine grosse Rolle spielt, hat beim Roboter keinen Platz. Deshalb muss sich der gute Roboter strikt auf das Einfache und Kostengünstige fokussieren.

Eine absolut zwingende Voraussetzung dafür, dass es Roboter mit ihren Kunden gut meinen, ist darin zu sehen, dass deren Betreiber keinerlei Retrozessionen erhalten und keine eigenen Produkte anbieten, die zwangsläufig zu Interessenkollisionen führen. Der gute Roboter muss unabhängig sein. Das ist er nur dann, wenn das Honorar des Kunden das Einzige ist, was ihm zufliesst.

Da bekanntlich die Anlagestruktur die wichtigste Entscheidung ist, die ein Investor zu treffen hat, kommt der Abarbeitung des digitalisierten Fragebogens eine zentrale Bedeutung zu. Soll zum Beispiel der Aktienanteil 10, 20, 50 oder 100% betragen? Die «harten» Fakten zur Einkommens- und Vermögenssituation des Kunden wird auch ein durchschnittlich begabter Roboter mühelos klären können.

Schwierig wird es, wenn es um die persönliche Risikopräferenz des Anlegers, seine Ängste, seine Sorgen und seine Vorlieben geht. Erfahrungsgemäss ändern diese bei einigen Anlegern rasch, je nachdem ob die Sonne am Börsenhimmel gerade scheint, eine Wirtschaftskrise herrscht, ein Krieg droht oder eine private Scheidung ansteht. Selbst gute Roboter sind schlechte Psychologen.

Vertrauen aufbauen

Ein besonders heikler Punkt ist zum Beispiel die Frage, wie auf grössere Verluste reagiert werden soll. Signalisiert ein Anleger beim Ausfüllen des digitalisierten Fragebogens, dass er bei einer Verlustschwelle von 20% verkaufen möchte, ist überhaupt nicht sicher, ob er dies auch dann noch tun will oder soll, wenn der Fall wirklich eintritt. Wird er in schwierigen Phasen professionell begleitet und beraten, ist gut denkbar, dass er nach einem grösseren Rückschlag nicht etwa prozyklisch Aktien verkaufen, sondern im Gegenteil antizyklisch dazukaufen will.

Ein guter Roboter wird deshalb, insbesondere nach grösseren Marktveränderungen, in einem interaktiven Prozess mit dem Kunden stehen und ihn nicht einfach im Regen stehenlassen. Nur so wird es dem Roboter gelingen, seinem Kunden eine Portion des wichtigsten Kapitals zu vermitteln, das die Beziehung mit menschlichen Beratern auszeichnet: Vertrauen.


13. September 2018

Autoren

Dr. Pirmin Hotz
ist Inhaber der gleichnamigen Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Baar.


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