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«Die Berater sind zu Verkäufern mutiert»

Der Schweizer Asset Manager hütet sich vor Zertifikaten und warnt vor unfreien Beratern

Der Schweizer Vermögensverwalter Pirmin Hotz prangert regelmäßig Missstände in seiner eigenen Zunft an. Im Interview der Börsen-Zeitung setzt er sich kritisch mit der üblichen Praxis auseinander, dass Berater Rückvergütungen für den Vertrieb von Produkten erhalten. Durch diesen Interessenkonflikt bekämen Kunden keine unabhängige Beratung, bemängelt der 50-Jährige. Hotz selbst, der nach eigenen Angaben zu den größten unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz zählt, nimmt keine Rückvergütungen an.

Herr Hotz, warum finden sich in den Depots Ihrer Kunden keine strukturierten Produkte beziehungsweise Zertifikate?
Strukturierte Produkte oder Zertifikate sind komplex und für die meisten Kunden, ob private oder institutionelle, nicht durchschaubar. Für die Anbieter sind sie sehr margenträchtig, wobei viele Kosten versteckt sind. Zudem verletzen strukturierte Produkte oft den Grundsatz der Diversifikation. Das gilt etwa für die beliebten Barriere-Produkte mit mehreren Basiswerten. Dass der Anleger bei einem ungünstigen Verlauf einfach die Aktie mit der schlechtesten Kursentwicklung erhält, ist der pure Widerspruch zur Forderung nach einer Risikostreuung.

Und was halten Sie von alternativen Anlagen wie Hedgefonds?
Wenn Hedgefondsmanager unabhängig von der Marktentwicklung zweistellige Renditen in Aussicht stellen, erfordert das systematisch gute Prognosen. Profis überschätzen aber ihre Prognosefähigkeiten stark. Es ist auch unmöglich, eine Erfolgsbilanz der Hedgefondsbranche zu ziehen. Denn der Survivorship Bias ist hoch. Das heißt, viele Fonds werden mangels Erfolg liquidiert und fallen aus den Indizes heraus. Wir haben berechnet, dass wegen dieses Effektes die Renditen von Hedgefondsindizes um 4 oder mehr Prozentpunkte pro Jahr besser aussehen als sie es tatsächlich sind.

In Mode gekommen sind die Exchange Traded Funds. Dagegen sperren Sie sich aber nicht?
Für Anleger mit geringen investierbaren Vermögen sind ETF die besten aller vorhandenen Produkte. Man kann über sie günstig in passive Anlagen investieren. Doch auch ETF sind oft problembehaftet. Die Produktepalette wuchert. Die Anbieter werden innovativ, um ihre Marge zu erhöhen. So werden Fondstitel ausgeliehen, und man hat ein Gegenparteirisiko. Sobald das investierbare Vermögen etwa 1 Mill. sfr (0,8 Mill. Euro) überschreitet, sind Direktanlagen in Aktien und Obligationen vorzuziehen.

Mit Direktanlagen treffen Sie eine Auswahl. Sie sind aber doch ein Gegner eines aktiven Managements?
Auch wir legen nicht völlig passiv an. Wir sehen, dass es an den Märkten immer wieder zu Exzessen kommt. Es ist zwar unmöglich zu sagen, wann Blasen platzen. Aber langfristig macht es Sinn, antizyklisch vorzugehen, so wie jetzt bei Zinspapieren. Bei der Titelwahl gehen wir simpel vor. Wir suchen die Aktien der Weltmarktführer. Um die zu evaluieren, brauchen wir nicht 100 Analysten. Wir beschränken uns auf 40 bis 50 Titel, das reicht. Der Wirtschaftsnobelpreisträger William Sharpe hat gezeigt, dass man schon mit 15 bis 20 Titeln sauber diversifiziert sein kann.

Sie sagten, Sie seien vorsichtig gegenüber den Rentenmärkten. Wie sichern Sie sich ab?
Ja, wir sehen eine Blasenbildung in den Zinsmärkten. Ich habe es noch nie erlebt, dass in der Schweiz zehnjährige Staatsanleihen nur eine Rendite von 1,5% bringen. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Blase platzt. Unser Rezept ist banal, wir investieren in Zinspapiere mit kurzer Laufzeit; die durchschnittliche Duration liegt zwischen zwei und drei Jahren. Aber ich gebe zu, seit einem Jahr liegen wir damit falsch.

Sie kritisieren oft die Praktiken der Vermögensverwalter. Ist es illusorisch von Banken eine unabhängige Beratung zu erhalten?
Auf breitester Basis ist es leider nicht der Fall, dass der Kunde eine unabhängige Beratung erhält. Ein Berater ist in einem Interessenkonflikt, wenn sein Institut Produkte, ob eigene oder fremde, verkauft. Mit den Zielen, die sein Chef vorgibt, ist er nicht mehr frei und kann nicht das empfehlen, wovon er im Innersten überzeugt ist. Das gilt auch für unabhängige Vermögensverwalter. Die sitzen im gleichen Boot wie eine Bank, wenn sie Rückvergütungen etwa für den Vertrieb von Produkten erhalten. Die Berater sind zu Verkäufern mutiert.

Wie werden Sie denn entlohnt?
Wir erhalten eine Verwaltungsgebühr, abhängig von der Höhe des Vermögens, und eine Erfolgsbeteiligung. In den Verträgen schließen wir aus, dass wir Rückvergütungen von Banken oder anderen Anbietern annehmen. Kunden sollten sich schriftlich bestätigen lassen, dass ihr Vermögensverwalter sein Entgelt nur von ihnen erhält. Unser Vorteil ist, dass wir pro Kopf ein weit überdurchschnittliches Volumen verwalten und so mit einer tiefen Marge sehr gut leben können.

Muss der Kunde bei der Wahl seines Vermögensverwalters also auch das Kriterium der Größe berücksichtigen?
Ich denke ja. Denn wenn ein Vermögensverwalter die kritische Größe nicht erreicht, ist er gezwungen, zusätzliche Erträge zu generieren, indem er Rückvergütungen annimmt oder Umsatz generiert. Meines Erachtens liegt die kritische Größe bei einem verwalteten Vermögen um 300 bis 500 Mill. sfr.

Ist es nicht auch so, dass die Kunden oft zu hohe Renditeerwartungen hegen?
Das stimmt. Unsere Branche schürt aber oft die zu hohen Erwartungen der Kunden. Es ist ein Marketinginstrument, hohe Renditen in Aussicht zu stellen. Wenn aber Hedgefonds Renditen von 10 oder 15% pro anno verheißen, ist das unrealistisch. Grundsätzlich meine ich, dass man aktuell mehr als zufrieden sein kann, wenn in einem gemischten Portfolio eine Rendite von netto 5 bis 6 % erzielt wird.

Das Interview führte Andreas Kälin.


11. Januar 2011


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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