Schizophrenie und Tricks
Die kreative Finanzbranche produziert immer komplexere und intransparentere Produkte, um ihre Gebührenmaschinerie zu ölen. Die Banken und die Fondsbranche negieren in weiten Teilen auch ein Bundesgerichtsurteil, wonach Retrozessionen untersagt oder zumindest dem Kunden gegenüber offenzulegen sind. Sie bezeichnen die teilweise horrenden und in den Produkten verpackten Gebühren als «Vertriebsentschädigungen», weshalb diese nicht als Retrozessionen zu qualifizieren seien. Ausser Frage steht selbstverständlich, dass solche versteckte Gebühren die Performance der Kunden schmälern und zu Interessenkollisionen der Anbieter führen. So entspricht die Finanzberatung im Kern einem reinen Verkaufsgespräch.
Künstliche Komplexität
Wer nun annimmt, primär Privatanleger seien Opfer von hochmargigen und schwer verständlichen Produkten geworden, täuscht sich. Institutionelle Anleger, die bei den traditionellen Anlagekategorien äusserst kostenbewusst sein können, begeistern sich ebenso für teure und oft intransparente Anlagen in Hedge-Funds, Private-Equity-Vehikeln, Insurance Linked Securities, internationalen Immobilien, strukturierten Produkten und Rohstoffen. Grosse Pensionskassen lassen sich diesbezüglich regelmässig von Investment-Consultants beraten. Erstaunlich ist dabei die Tatsache, dass diverse Consultants selbst nach den herben Erfahrungen in der Finanzkrise immer noch die Tendenz haben, ihren Kunden «professionelle Komplexität» zu empfehlen.
Liegt das vielleicht daran, dass komplexe Anlagestrukturen auch für Consultants attraktiv sind? Eine bunte Vielfalt von Anlagekategorien führt zu aufwendigen «Searches» von Anbietern und Produkten, die für die Berater entsprechend entschädigt werden. Auch das Controlling lässt sich naturgemäss mit zunehmender Komplexität teurer verkaufen, und der Beratungsaufwand nimmt allgemein zu. Ob nur das Wohl der Kunden im Vordergrund steht, wenn die Consultants immer noch vertrauensvoll mit denselben Anbietern zusammenarbeiten, die in der Finanzkrise nicht selten grandios gescheitert sind, ist fraglich.
Eine simple Anlagepolitik bietet neben geringeren Kosten auch den Vorteil, dass diese die Eigenverantwortung der Anleger stärkt. Der Kunde kann nur kontrollieren, was er selber versteht; andernfalls begibt er sich zwangsweise in die Abhängigkeit eines Beraters. Alternative Anlagen sind deshalb kaum eine Alternative. Was wäre denn so falsch daran, konsequent auf einfach verständliche Direktanlagen wie Obligationen und Aktien sowie allenfalls schweizerische Immobilien zu setzen? Würden diese Grundsätze auf breiter Front beherzigt, würde sich die Diskussion über die stärkere Regulierung des Pensionskassengeschäfts, Abzockereien sowie korrumpierte Kassenwarte weitgehend in Luft auflösen. Mehr Regulierung wird nämlich gerade deshalb notwendig, weil immer mehr (unnötige) Komplexität produziert wird – beides belastet die Nettorendite des Anlegers.
Es ist eine Tatsache, dass die Mehrheit der aktiven Vermögensverwalter den Vergleichsindex nicht schlagen kann. Es entbehrt deswegen nicht einer gewissen Ironie, wenn Consultants im Rahmen des sogenannten Core-Satellite-Ansatzes hochaktive und teure Satelliten-Mandate wie Hedge-Funds empfehlen. Wenn es die Mehrheit der Verwalter nicht schafft, eine relative Hürde zu er-reichen, wie soll dann das anspruchsvollere Ziel einer absoluten Hürde wie eine stets positive Rendite erreicht werden? Die Prognostizierbarkeit von Börsenkursen ist leider ein Trugschluss, weshalb ein zu aktives Anlageverhalten primär hohe Kosten verursacht und die Bonustöpfe der Anbieter füllt.
Weitere Fallstricke
Auch beim blinden Indexieren der Mandate gilt es auf Fallstricke zu achten. Man investiert stets prozyklisch und es können Klumpenrisiken entstehen. So repräsentieren ganz wenige Titel aus drei Branchen das Schwergewicht im Schweizerischen Aktienmarkt. Bei indexierten Obligationenanlagen investiert der Anleger primär in die Schuldenkönige. Das müssen die Inhaber von Euro-Anleihen von Griechenland, Irland oder Portugal in der derzeitigen Schuldenkrise schmerzlich erfahren. Stattdessen ist ein auf Langfristigkeit ausgerichtetes und intelligent passives (aber nicht indexiertes) Anlageverhalten zu bevorzugen. Grosses Gewicht sollte ein Anleger auf eine Diversifikation mittels günstiger Direktanlagen sowie eine verständliche Anlagestruktur legen. Eine geringe Komplexität reduziert die Abhängigkeit von Beratern und hält die Kosten tief.
15. Juni 2011
PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.
THOMAS HAUSER
ist geschäftsführender Partner der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG.
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