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Börsen und Makroökonomie

[Replik auf einen Artikel vom 12. Januar 2019 von Professor Thomas Straubhaar]

Thomas Straubhaar irrt in mehrfacher Hinsicht. Selbstverständlich ist die Börse als Marktplatz für Aktien der beste Pulsmesser der realen Wirtschaft und deren Unternehmen. Sie reflektiert die unterschiedlichen Erwartungen von Käufern und Verkäufern, welche mittels Angebot und Nachfrage den fairen Gleichgewichtspreis finden. Da sich die Erwartungen der Marktteilnehmer laufend ändern, verändern sich die Börsenkurse, manchmal auch schlagartig. Das von Straubhaar zitierte Unternehmen Apple ist ein perfektes Beispiel für die veränderten Erwartungen des Marktes. Enttäuschende Umsatzzahlen in China und ein verstärkter Margendruck führten dazu, dass Investoren die Zukunft von Apple kritischer einschätzen. Es ist dann völlig normal, dass dies sofort zu einer deutlichen Korrektur des Kurses führt, welcher allerdings im Vorfeld noch viel stärker gestiegen ist. Das nennt man einen effizienten Markt im Sinne der nobelpreisgekrönten Professoren Markowitz und Fama. Genau gleich, wenn auch in der Preisfindung nicht ganz so effizient, funktioniert der Häusermarkt. Auch überhitzte Immobilienpreise können, wie zuletzt zu Beginn der 90er Jahre, rasch und heftig einbrechen. Immobilienzusammenbrüche sind sogar die häufigste Ursache für Finanzkrisen wie diejenige vor gut 10 Jahren. Und wer zu Beginn des Jahrtausends ein Häuschen in der idyllischen Kleinstadt Gockhausen besass, weiss wie der Marktpreis seines Eigentums wegen Fluglärms schlagartig einbrach, als in Kloten der neue Südanflug beschlossen wurde. Warum Straubhaar Häuser, nicht aber Aktien von Unternehmen zur realen Welt zählt, bleibt wohl sein Geheimnis. Auch seine Kritik, die Berechnung eines Unternehmenswertes mache keinen Sinn, weil am Markt täglich nur ein kleiner Bruchteil aller Aktien gehandelt würde, ist realitätsfremd. In keinem einzigen Anlagesegment wird täglich der überwiegende Teil des Marktes umgesetzt, schon gar nicht im Häusermarkt.

Dass die langfristige Entwicklung der Aktienkurse etwa im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung erfolgen müsste, ist ein weit verbreiteter Irrtum, dem nicht nur Straubhaar unterliegt. Da Unternehmen substanziell Fremdmittel einsetzten, wachsen deren Gewinne im Zeitablauf deutlich stärker als die gemessene Wirtschaftsleistung. Ein durchschnittliches SMI-Unternehmen dürfte etwa 40 Prozent Eigen- und 60 Prozent Fremdmittel verfügen. Diese inhärente Hebel führte dazu, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht nur die Aktienkurse auf etwa das Sechsfache gestiegen sind, sondern auch die Unternehmensgewinne. Wenn das BIP in einem Jahr um beispielsweise 3 Prozent steigt, erhöhen sich im selben Jahr die Gewinne der Unternehmen im Durchschnitt etwa um 6 oder 7 Prozent. In der logischen Konsequenz sind deshalb auch die Bewertungen von Aktien, gemessen am Verhältnis von Kurs zu Gewinn, im Zeitablauf etwa konstant geblieben. Wäre die These von Straubhaar von den bösen Spekulanten, die Aktien aus Eigeninteresse beliebig nach oben treiben, richtig, würden wir heute in der wohl grössten Börsenbewertungsblase aller Zeiten leben. Diese wäre überdies noch viel dramatischer als von Straubhaar angenommen. Wird nämlich korrekterweise der SPI, welcher im Gegensatz zum SMI die Dividenden mitberücksichtigt, als Vergleich herangezogen, hat sich der schweizerische Aktienmarkt seit 1988 sogar um das 12-fache erhöht. Ähnliches gilt auch für die Aktienmärkte in den USA und in Deutschland. Während sich in Deutschland das BIP in den vergangenen 30 Jahren weniger als verdreifacht hat, stieg der DAX um das 10-fache.

Zu Recht weist Straubhaar darauf hin, dass es an den Börsen immer wieder zu Übertreibungen und Blasen kommt. Diese platzen über kurz oder lang, wenn die übertriebenen Erwartungen vom Markt korrigiert werden. Ebenso ist richtig, dass Börsenkurse nicht oder zumindest kaum prognostizierbar sind. Dies liegt in der Natur eines effizienten Markes und gilt für Aktien genauso wie für Devisen. Wenn die Wirtschaftsaussichten eintrüben und die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinserhöhungen in Amerika sinkt, kann deshalb nicht erstaunen, dass auch der Dollar unter Druck gerät. Diese funktionierenden Märkte zu verteufeln und Aktien sinngemäss als Spielball von bösen und geldgierigen Spekulanten abzutun, kommt fast schon einem Manifest gegen den Kapitalismus gleich. Wenn Straubhaar schreibt, Firmen würden Konkurs gehen können, während Staaten bleiben, ist das ein eigenartiges Verständnis der Finanzgeschichte. Gerade aus der Geschichte wissen wir nämlich nur allzu gut: Zahlreiche Staaten, darunter auch Deutschland, sind schon mehrfach Pleite gegangen. Wer diesen Staaten Geld geliehen hat, hat alles verloren. Wer hingegen auf Aktien setzte und sein Portfolio stets gut diversifiziert hat, hat auf Dauer jede noch so schwere Krise gemeistert, auch wenn einzelne Unternehmen zwischenzeitlich verschwunden sind.


16. Januar 2019

Autoren

Dr. Pirmin Hotz
ist Inhaber der gleichnamigen Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Baar.


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