Alternative Anlagen sind oft keine Alternative
Hedge-Funds und Private Equity eilt zu Unrecht der Ruf voraus, dass sie hohe Renditen abwerfen
Investieren war noch nie ein Kinderspiel – doch das Tiefzinsumfeld hat die Ausgangslage nochmals erschwert. Das traditionelle Schweizer Privatkunden-Portfolio mit einer Aufteilung in Aktien, Obligationen und wenig Liquidität und Gold scheint ausgedient zu haben. Wer in Anleihen mit vertrauenswürdiger Qualität investiert, erhält seit einigen Jahren minimal oder gar keinen Zins. Geldmarktanlagen, in denen man die liquiden Mittel parkieren kann, werden kaum mehr angeboten. Die durch die Notenbanken verursachte Liquiditätsflut hat zudem zu einer Vermögenswert-Inflation geführt und etwa die Bewertungen von Aktien in luftige Höhen getrieben.
In diesem Umfeld suchen Investoren nach Auswegen und stossen dabei auf alternative Anlagen wie Hedge-Funds und Private-Equity. Diese Vehikel stehen im Ruf, zwar kompliziert zu sein, aber hohe Renditen abzuwerfen. Dieser Mythos wurde auch durch Hollywood noch zementiert. Zahlreiche Filme thematisieren, wie zuweilen ruchlose Protagonisten mit gewagten Wetten gegen den Aktienmarkt oder durch den Aufkauf und das Ausweiden von Firmen reich wie Krösus werden. Erfolgreiche Hedge-Funds-Manager wie George Soros, Ray Dalio sowie John Paulson machten zudem mit Milliardenverdiensten Schlagzeilen.
Schädlich fürs Portefeuille
Eine hohe Rendite, eine tiefe Volatilität und kaum eine Korrelation mit den Finanzmärkten werden als Argumente für alternative Anlagen angeführt. Schaut man diese Kriterien an – insbesondere für Hedge-Funds –, lösen sie sich bald in Luft auf. So hat der globale Aktienindex MSCI World den weltweiten Hedge-Funds-Index HFRX über die vergangenen fünf Jahre um rund 60 Prozentpunkte übertroffen.
Das gilt aber nicht nur für Perioden der Aktienhausse. Die Studie «Harmful diversification: Evidence from alternative investments» aus dem Jahr 2018 von Platanakis et al. zeigt, dass sich die Aufnahme von fünf alternativen Vermögenswerten (Immobilien, Rohstoffe, Hedge-Funds, Schwellenländer und Private-Equity) in Aktien- und Obligationenportfolios für US-Anleger nicht ausbezahlt hat. Die Autoren untersuchten 19 Modell-Portfolios über die Periode 1997 bis 2015. Der «schädliche» Einfluss auf die Performance rührte gemäss den Autoren nicht in erster Linie von den hohen Kosten her, sondern vom erhöhten Risiko-Level. Das sei etwa während der Finanzkrise den Engagements in Immobilien, Private-Equity und Schwellenländer zum Verhängnis geworden. Rohstoffe und Hedge-Funds hätten die Performance über den gesamten Zeitraum negativ beeinflusst.
«Kaufe nicht, was du nicht verstehst»
Performance der «Toten» fehlt
Die Performance der Hedge-Funds dürfte bereinigt noch weniger erfreulich aussehen. Die Vehikel melden ihre Performance freiwillig. Jedes Jahr verschwinden rund 15 bis 20% der Hedge-Funds vom Markt und erscheinen nicht in der Statistik (Survivorship-Bias). «Ich habe 20 Jahre in der Hedge-Fund-Branche gearbeitet, die Performance, die dort mit illiquiden Anlagen erzielt wird, ist ernüchternd», sagt Andreas Gilgen, der bei der Bank Alpinum wohlhabende Kunden betreut. Er diversifiziere schon in alternative Anlagen, dies bedeute für ihn aber Immobilien, spezielle Strategie-Fonds oder Fixed-Income-Fonds im Hochzinsbereich mit überdurchschnittlichen Rendite/Risiko-Chancen. Von Funds-of-Funds, Hedge-Funds und Private-Equity lasse er die Finger.
«Ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso jemand undifferenziert in diese Vehikel investiert», sagt der bekannte Hedge-Fund-Manager Mark Spitznagel im Gespräch mit der NZZ. Viele Hedge-Funds würden die Investoren nur Wohlstand kosten. Die meisten dieser Anlagevehikel hätten sich bisher nicht gerade glänzend geschlagen.
Oft wird angeführt, dass das Risiko von Hedge-Funds, gemessen als Volatilität, sich auf dem Niveau von Anleihen und deutlich unter jenem von Aktien bewege. Dies sei schlicht falsch, sagt der Vermögensverwalter Pirmin Hotz, weil die Messung von Schwankungsrisiken bei illiquiden Vermögenswerten keinen Sinn ergebe. Die Preisglättung durch monatliche oder quartalsweise Wertbestimmung werde als tiefe Volatilität verkauft, was sie nicht sei. Wenn es keinen Marktpreis für eine Anlage gebe, dann könne es auch keine Schwankungen der Marktpreise geben, sagt Hotz, der auch Autor des in diesem Jahr erschienenen Buchs «Über die Gier, die Angst und den Herdentrieb der Anleger» ist.
«Im Grunde wäre nichts dagegen einzuwenden, auch einen Anteil nicht liquider Anlagen im Depot zu halten», so Hotz. Voraussetzung sei allerdings, dass ein langfristiger Fokus bestehe, die Qualität stimme und der Anleger transparent erfahre, was er kaufe. Die gerne zitierte Illiquiditätsprämie sei aber alles andere als garantiert, denn allzu häufig wird ein grosser Teil der Bruttorendite durch horrende Gebühren weggefressen, so dass unter dem Strich weniger übrig bleibt als mit liquiden Anlagen. «Der Anlagehorizont für in Aktien investierte Vermögen sollte zehn Jahre und mehr betragen, unabhängig vom Alter des Investors», sagt Gilgen. Liquidität bleibe aber immer ein Thema, sei es etwa für eine Schenkung, einen Haus- oder einen Firmenkauf.
Wenige zuverlässige Massstäbe
Im Private-Equity-Bereich gibt es kaum aussagekräftige Indizes, die als Performance-Vergleich herangezogen werden können. Oft stammen diese von Private-Equity-Firmen selbst. Im Grundsatz ist die Anlageklasse gemäss Hotz positiver zu sehen als diejenige der Hedge-Funds. Erstere repräsentiert Realkapital und es stehen Unternehmen dahinter, die produktive Wertschöpfung generieren. «Allerdings sind auch bei Private-Equity weitgehend dieselben Vorbehalte zu nennen wie bei Hedge-Funds», sagt Hotz. Die Renditen lägen tiefer, als von der Branche kolportiert werde, und die buchhalterisch auf Basis von «internen Zinssätzen» ermittelten Renditen erzeugten beim Anleger eine Erwartung, die mit den tatsächlich erzielten Renditen wenig zu tun habe.
Auch bei Private-Equity wird mit den auf rein buchhalterisch ermittelten NAV-Werten eine Volatilität gemessen, die nicht realistisch ist. Hotz macht einen Vergleich: «Wer eine Ranch in den Rocky Mountains kauft und jährlich die Volatilität auf seinem buchhalterischen Einstandspreis errechnet, weil es keinen Marktpreis gibt, der macht sich etwas vor, wenn er glaubt, er hätte eine risikolose Anlage gekauft.» Bei Lichte betrachtet sind die Risiken von Private-Equity gemäss dem Vermögensverwalter höher als diejenigen von kotierten Aktien, und die Renditen sind im Branchendurchschnitt tiefer.
Gilgen empfiehlt, bei Private-Equity auf die Aktie eines Spezialisten zu setzen. Mit den Titeln von Partners Group habe man in den vergangenen zehn Jahren eine Rendite von 30% pro Jahr eingefahren und war durch das Engagement in verschiedenste Private-Equity-Strategien investiert. Das Gleiche gelte für eine Investition in den ETF IShares-Listed-Private-Equity, der in der Vergangenheit eine Performance von 13% pro Jahr erzielte.
Dabei ist man jedoch wiederum in Aktien investiert, und die Erfahrung zeigt, dass ein Börseneinbruch alle Aktien trifft. In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass die Korrelation zwischen den Anlageklassen immer grösser wird. Wenn Investoren wegen Kurseinbrüchen Liquidität benötigen, werde alles verkauft, was möglich sei. «Das gilt selbst für Rohstoffe und Gold», sagt Gilgen.
Wichtig ist, dass die langfristige Bruttorendite im Auge behalten wird. Es ergibt keinen Sinn, ein teures Produkt zu kaufen, das einen dürftigen Ertrag einbringt. So ist es momentan auch nicht sinnvoll, in einen Obligationen-Fonds zu investieren, der zwar «nur» 0,5 bis 0,6% kostet, aber eine erwartete Rendite von –0,5% aufweist. Der Anleger muss angesichts dieser Daten und Einschätzungen zum Schluss kommen, dass viele alternative Anlagen weder das Risiko reduzieren noch die Erträge verbessern.
Von Fondsmanagern geblendet
Hier drängt sich vor allem bei Hedge-Funds der Vergleich mit aktiv verwalteten Aktienfonds auf. Diese Anlageprodukte sind bei Anlegern und Bankberatern weiterhin beliebt, obwohl zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass passive verwaltete Fonds, die Indizes abbilden, eine bessere Performance erzielen – auch weil sie tiefere Gebühren aufweisen. Die Anleger lassen sich immer wieder von einzelnen erfolgreichen Fondsmanagern blenden, die mit einer aktiven Strategie hohe Erlöse einfahren.
Dabei handelt es sich teilweise um kurzfristige Wetten, die aufgehen (aber nicht nachhaltig sind), oder um Engagements in vernachlässigte Nischenmärkte, die eine tiefe Markteffizienz aufweisen. Bei aktiven Aktienfonds und auch bei Hedge-Funds ist insbesondere zu beachten: Erfolgsgeschichten aus einzelnen Perioden sind keine Garantie für zukünftige Erfolge.
«Nur weil die Zinsen auf unterirdischem Niveau liegen und möglicherweise noch lange da verharren werden, ist es keine gute Idee, eine langfristig sinnvolle und transparente Anlagestrategie über den Haufen zu werfen», erklärt Pirmin Hotz. Erstklassige Aktien, etwas Immobilien, genügend Liquidität für das Leben und allenfalls ein kleiner Anteil Gold: Das sei alles, was ein erfolgreicher Investor brauche – auch in einem zinslosen Umfeld. Wer wie viele jetzt auf den Zug alternativer und illiquider Anlagen aufspringe, werde laut Hotz irgendwann aufwachen und sich die Augen reiben. «Wir kennen das aus unzähligen Beispielen der Geschichte. Nur gehen diese leider allzu schnell wieder vergessen.»
Werner Grundlehner
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