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Aktienanlagen bewähren sich in grossen Krisen

Vertrauen ist nachhaltig erschüttert – wie sicher sind alternative Anlagemöglichkeiten? – Besonnen reagieren

Managerexzesse, Bilanzskandale sowie Terrorängste und der Irakkrieg haben weltweit das Vertrauen der Anleger arg strapaziert. Die internationalen Aktienmärkte verloren in den vergangenen Jahren teilweise über 60% auf ihren früheren Höchstwert. Die einst hochgepriesenen Neuen Märkte haben sich, wer wundert sich heute, in Luft aufgelöst. Das Vertrauen in Aktieninvestitionen ist nachhaltig erschüttert. Viele Anleger, ob institutionelle oder private, flüchten panikartig aus ihren Titeln und suchen nach Alternativen. Der wohl grösste Börseneinbruch seit über siebzig Jahren hat deutliche Spuren hinterlassen.

Dabei sind kaum fünf Jahre vergangen, seit in weiten Teilen Europas eine Aktienkultur überhaupt erst entstanden ist. Im Eilzugtempo verschob der Durchschnittsanleger damals seinen Sparbatzen vom Bankkonto zum hochriskanten Engagement an den Neuen Märkten. Schliesslich wollte man nicht fast täglich von Freunden und Medien mit traumhaften Renditen konfrontiert werden, ohne selbst ebenfalls ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Mahnende Stimmen zu Risiken und Nebenwirkungen blieben ungehört.

Anleihen sind nicht risikolos
Nun haben die Investoren in noch höherem Tempo den Weg zurück zum risikolosen Bankkonto, zur Immobilienanlage oder zu Anleihen absolviert. Auch alternative Produkte wie Hedge funds werden als Rettung aus der Misere angepriesen. Handeln Investoren rational, wenn sie Aktien längerfristig aus ihrem Anlageuniversum verbannen? Sind die alternativen Fluchthäfen wirklich sicherer als Aktien? Wie verhalten sich deren Risiken in einer sich vielleicht noch zuspitzenden, schweren Krise? Der Vergleich mit der Depression zu Beginn der Dreissigerjahre, den beiden Weltkriegen und der seit vierzehn Jahren anhaltenden ökonomischen Krise Japans kann helfen, diese Fragen zu beantworten.

Seit Monaten belasten Kriegsängste die Börsen. Dabei scheinen viele Anleger, die panikartig aus Aktien flüchten, vergessen zu haben, dass gerade in den beiden Weltkriegen Anleihen – ganz im Gegensatz zu Dividendentiteln – wertlos geworden sind. Das traf nicht nur für Deutschland, sondern weitgehend auch für Italien, Frankreich und Japan zu. Solche verheerende Wertverluste sind natürlich, wiederum anders als mit Aktien, die sich nach den Kriegen fulminant erholt haben, nicht mehr wettzumachen. In einer echten Krise, wie die Lage gegenwärtig von vielen ein- gestuft wird, übertreffen die Risiken von Festverzinslichen die von Aktien.
Dasselbe lässt sich sagen, wenn der Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932 herangezogen Wird. Zwar kollabierten in dieser Zeit die internationalen Aktienmärkte durchschnittlich 70% (was mit den letzten knapp drei Jahren durchaus vergleichbar ist), doch von 1932 bis 1935 verdreifachten sich die Kurse. Im Zuge des Börsendebakels wurden damals Tausende (!) von Banken insolvent. Wenn die Lage heute auch noch nicht so dramatisch ist, so ist es doch illusorisch anzunehmen, dass die Finanzindustrie und wohl auch die Staaten die ausstehenden Anleihen noch bedienen können, wenn sich die Krise verschärft. Es entspricht einer natürlichen Logik, dass in solchen Szenarien das Finanzsystem derart strapaziert wird, dass viele Unternehmen, aber auch staatliche Organisationen wegen des massiven Ertrags- respektive Steuerausfalls insolvent werden.

Interventionistische Strukturerhaltungsmassnahmen können nur ergriffen werden, wenn sie auf Einzelfälle (Swissair) beschränkt bleiben. Mit einer Häufung von Insolvenzfällen müssten sie zwangsläufig ausbleiben, weil andernfalls der Kollaps des Staatsapparats droht. Es ist eine Illusion und widerspricht auch den Erfahrungen der Vergangenheit, dass Obligationen in grossen Krisen sicherer sind als Aktien. Führt man die modern gewordenen apokalyptischen Szenarien zu Ende, müssten die aus dem Verkauf von Aktien freigesetzten Gelder in einen Banksafe gelegt werden, um zumindest das Bonitätsrisiko des Schuldners auszuschliessen.

Warnendes Beispiel Japan
Japan gibt uns einen guten Hinweis, Was mit sicheren Anleihen in der Krise passiert. Bank- und Versicherungspleiten sind die Folge. Die Kreditwürdigkeit des einstigen Wirtschaftswunders Japan hat mittlerweile beinahe schon den Ramschstatus erreicht! Europäische Länder und Kommunen sind davon nicht mehr weit entfernt. Hinzu kommt die Krise der Sozialwerke, die den Staatsapparat zusätzlich strapaziert. Darüber hinaus werden die schweizerischen Kantonalbanken wie auch die deutschen Landesbanken (Dekret der EU per 2005) sukzessive ihrer Staatsgarantie entledigt. Bereits fünf Kantonal-banken, die mit den Landesbanken vergleichbar sind, mussten in den letzten Jahren saniert oder übernommen werden. Auch der weltweit von Standard & Poor‘s ermittelte Zahlungsausfall von Unternehmensanleihen hat sich von 1997 bis 2002 schonverhundertfacht!

Man muss wohl kein besonders guter Prophet sein, um vorauszusehen, dass das Investieren in festverzinsliche Anlagen in Zukunft erhöhten Anforderungen unterliegen wird und, besonders wenn sich die Krise weiter verschärft, Insolvenzen zur Gewohnheit werden könnten. Nur am Rande sei erwähnt, dass die risikoscheuen Inhaber von Anleihen mit zunehmender Fortdauer in nicht unerheblichem Mass riskieren, von einer Zinswende auf dem falschen Fuss erwischt zu werden. Wenn die Eidgenossenschaft, notabene auf Wunsch der gebeutelten Versicherer, gegenwärtig eine 30-jährige Anleihe emittiert, scheint der Nährboden für das nächste Debakel schon bereitet zu sein. In Krisenzeiten neigen Exponenten des Kapitalmarkts offensichtlich dazu, ihre existenzbedrohenden, prozyklischen Fehler zu wiederholen.
Wie verhält es sich da mit Immobilienanlagen? Viele Anleger flüchten aus Angst vor weiteren Börsenverlusten in Immobilieninvestitionen, die durch den historisch tiefen Refinanzierungssatz Rückenwind erhalten haben. Wenn nun japanische Verhältnisse am Aktienmarkt befürchtet werden, ist es sicherlich legitim, auch den Vergleich mit der Entwicklung des japanischen Immobilienmarkts heranzuziehen. Der ist, parallel zur Börse, regelrecht kollabiert. Bankpleiten und immense Kreditausfälle waren die Folge. Es zeigte sich, dass sich die Immobilienpreise auf Dauer nicht von den realwirtschaftlichen Gegebenheiten (Arbeitslosigkeit, Lohneinbussen, Wachstumsschwäche) abkoppeln können.

Im Unterschied zu Aktien vermitteln Immobilien allerdings eine Scheinsicherheit, denn die Wertverluste können nicht auf täglicher Basis verfolgt werden. In Europa wie auch in Amerika gibt es allerdings jetzt schon Anzeichen dafür, dass die Immobilienpreise ins Rutschen gekommen sind. Was wird passieren, wenn die gebeutelte Finanzindustrie auch nur schon einen kleinen Teil ihrer (illiquiden!) Immobilienanlagen auf den Markt werfen muss? Japan hat überdies eindrücklich gezeigt, dass selbst ein noch so tiefes Zinsniveau einen Immobiliencrash grösseren Ausmasses nicht verhindern kann.

Sind dann zumindest Gold oder alternative Produkte wie Hedge funds der Rettungsanker? Mitnichten! Gold hat den Nimbus als Reservewährung eingebüsst und profitiert gegenwärtig nur von der psychologischen Verunsicherung der Marktteilnehmer. Sollte sich der Irakkrieg ausweiten, dürfte wohl eher auf den Tauschhandel zurückgegriffen werden als auf Gold. Hedge funds (der Name allein ist irreführend) sind Wiederum intransparente, kostenintensive und riskante Modeprodukte der Finanzindustrie, die nach einiger Zeit (ähnlich wie der Neue Markt) in Vergessenheit geraten werden.

Es gilt, ganz einfache, logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Fatalistisch ausgedrückt lässt sich festhalten, dass wir zum Optimismus verdammt sind. Vernichtet sich der Aktienwert, im Sinne des von der Versicherungsindustrie angeführten, kollektiven Selbstzerstörungsprozesses, nachhaltig weiter, ist das ganze Finanz-, Immobilien- und Vorsorgesystem gefährdet. Beunruhigend ist, dass der Herdentrieb der Anleger offensichtlich in der Baisse noch gravierender ist als in der Hausse. Das liegt wohl daran, dass in der Baisse immer mehr Marktteilnehmer wegen der überschätzten und strapazierten Risikofähigkeit verkaufen müssen.

Aktien nicht vernachlässigen
Allerdings darf in einer auch noch so ausgeprägten Börsenkrise nicht ausser Acht gelassen werden, dass jede verkaufte Aktie auch gekauft werden muss. Es ist nämlich eine Absurdität zu glauben, dass in den letzten Jahren vornehmlich Titel verkauft, aber kaum gekauft wurden. Nicht vergessen werden darf dabei, dass auch die Käufer der vergangenen Monate gute Argumente haben. Sie stellen beispielsweise erstaunt fest, dass einige Aktien ertragreicher Unternehmen heute eine deutlich höhere Dividende als Obligationen abwerfen.

Die Marktwirtschaft hat den Vorteil, dass sie Exzesse korrigiert. Wie viele Anleger es wohl in zwei oder drei Jahren geben wird, die wehmütig feststellen, man hätte doch damals kaufen müssen? Nun, antizyklisches Handeln wird wohl endgültig ein fast unerreichbares Ziel respektive eine Illusion bleiben! Früher oder später werden die irritierten Anleger aber zur Besinnung kommen und realisieren, dass nur eine besonnene, langfristige und gut diversifizierte Anlagepolitik nachhaltig zum Erfolg führen kann. Dazu gehören natürlich auch Aktien. Die Strategie des Engagements in Dividendenwerte hat sich, im Gegensatz zu Anlagen in Obligationen, auch in noch so grossen Krisen über viele Jahrzehnte bewährt. Aktien sind langfristig die mit Abstand attraktivste Anlage.


9. April 2003

Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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