«80 Prozent Aktien wären sinnvoll»
Peter Manhart: Ganz grundsätzlich gefragt: Ab welcher Summe haben Investitionen in Einzelanlagen überhaupt Sinn?
Pirmin Hotz: Ab einer halben bis zu 1 Millionen Franken. Darunter ist es kaum möglich, sinnvoll zu diversifizieren. Der Aktienanteil sollte mindestens 25 bis 30 Titel umfassen. Eine Einzelposition von unter 10 000 Franken zu halten, ergibt nur schon wegen der Gebühren wenig Sinn. Bei einer Investitionssumme von bei spielsweise 200 000 Franken empfehle ich, kotierte Indexfonds (ETF) zu kaufen. Sie sind ei nfach in der Handhabung, kosten günstig und breit diversifiziert.
Ab welchem Betrag können Investoren bei Ihnen einsteigen?
Pirmin Hotz: Ab knapp 1 Million Franken. Da wir keinerlei Einnahmen wie Retros und so weiter für uns behalten, ist der einzige Franken, den wir verdienen, derjenige vom Kunden. Unsere Selbstkosten für ein Mandat liegen bei minimal 5000 Franken. Unser Gebührenmodell beginnt bei 0,7 Prozent – je höher das investierte Vermögen ist, desto günstiger wird es für den Kunden. Es kommen noch Courtagen und Depotgebühren hinzu. Da wir grössere Volumen bewegen, haben wir bei unseren Partnerbanken Vorzugskonditionen. Ein Kunde mit einem Vermögen von 1 Million zahlt bei uns fixe Gesamtgebühren von knapp 0,9 Prozent. Dies schliesst die Verwaltungs- und Depotgebühren sowie die Courtagen ein.
Mandate von Grossbanken werden in der Werbung günstiger angepriesen.
Pirmin Hotz: Wenn Banker offen diskutieren, und vor allem wenn alle indirekten und versteckten Kosten einbezogen werden, ist die Rede von 2 bis 3 Prozent für ein vergleichbares Mandat.
Einen wie langen Investitionszeitraum müssen Aktienanleger haben?
Pirmin Hotz: Zehn Jahre – dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Investor mit Aktien Geld verliert, gegen null.
Pensionskassen haben einen noch viel längeren Anlagehorizont – oft aber nur einen marginalen Aktienanteil. Ist das vernünftig?
Pirmin Hotz: Pensionskassen müssen aus regulatorischen Gründen viele Obligationen halten, um nicht in eine temporäre Unterdeckung zu kommen. Das ist aber ein Unsinn. Ich plädiere für einen Aktienanteil von bis zu 80 Prozent für gesunde Pensionskassen mit hohem Deckungsgrad.
Und mit den restlichen 20 Prozent?
Pirmin Hotz: Damit sollen kurzlaufende Obligationen gekauft und Liquidität gehalten werden. Faktisch wird ein riesiges Ertragspotenzial von den Pensionskassen durch den geringen Aktienanteil verspielt. Maximal dürften 50 Prozent in Aktien angelegt werden. In der Praxis sind es meist nur 30 Prozent. Langfristig gibt es nichts Besseres, als in produktives Kapital zu investieren respektive in erfolgreiche Unternehmen. Dies auf einer breit diversifizierten Basis, um keine titelspezifischen Risiken ins Depot zu holen.
Weshalb geschieht das so wenig?
Pirmin Hotz: Es ist die kurzfristige, quartalsweise Denkweise, die zu prozyklischem Verhalten führt. Wenn der Deckungsgrad sinkt, werden Aktien aus teilweise absurden regulatorischen Gründen verkauft. Dadurch entfernen sich die Kassen davon, wie ein Portfolio langfristig sinnvoll aufgestellt sein müsste, und durch das prozyklische Verhalten wird regelmässig zu hohen Kursen gekauft und zu tiefen verkauft.
«Eine einzelne Direktanlagevon unter 10 000 Franken im Depot zu halten, bringt es nicht.»
Wie kommt es bei den Pensionskassen an, wenn Sie bei sinkenden Kursen für eine Erhöhung des Aktienanteils plädieren?
Pirmin Hotz: Wenn man die Kunden bereits länger kennt, stösst man oft auf offene Ohren. Aber es bleibt ein Kampf und es ist ein zeitintensiver Prozess.
Das klingt ermutigend. Experten diskutieren also viel über die Anlagestrategie mit den Pensionskassen?
Pirmin Hotz: Leider viel zu wenig. Über die Gesamtzusammensetzung der Anlagen wird kaum diskutiert. Die Verantwortlichen wollen sich möglichst mit standardisierten Anlagestrukturen absichern, damit sie ja nicht rechtlich belangt werden können, falls einmal etwas schiefläuft. Dabei wäre die Frage der Aufteilung der Anlageklassen so entscheidend. Die Forschung bestätigt immer wieder, dass der Anlageerfolg im Wesentlichen davon abhängt. Doch stattdessen wird darüber diskutiert, ob man gegenüber beliebigen Benchmarks eine meist ohnehin zufällige Über oder Unterrendite erzielt hat.
Sie betreiben gar kein Market Timing?
Pirmin Hotz: Nur sehr diszipliniert innerhalb klar festgelegter Bandbreiten. Die Branche überschätzt ihre Prognosefähigkeit andauernd. Es gibt aber Situationen – besonders während Krisen, in denen viele Anleger in einen Herdentrieb verfallen und alle gleichzeitig verkaufen –, in denen agieren wir antizyklisch und kaufen dazu. Selbstverständlich kennt niemand den Zeitpunkt, wann der Markt wieder dreht. Ob in drei, sechs oder zwölf Monaten und wie lange es dauert, bis die erzielten Hochs erneut erreicht werden. Aber was wir wissen, ist, dass der Markt zu Überreaktionen tendiert, und das kann ausgenutzt werden.
Wir haben das in den ersten Monaten 2016 erlebt? Standen Sie auf der Käuferseite?
Pirmin Hotz: Ja, und in der Tendenz gewichten wir Positionen gleich und nicht nach Marktkapitalisierung. Das hängt wiederum mit der Prognoseunfähigkeit von uns Experten zusammen. Das heisst also, dass, wenn Novartis, Roche und so weiter massiv an Wert verlieren, wir automatisch dazukaufen. Es gibt für uns keinen Grund, eine Gewichtung wie in den passiven Indizes nach Marktkapitalisierung vorzunehmen. Dadurch verbessert sich unser Rendite-Risiko-Verhältnis, weil wir besser diversifiziert sind. Wir trauen uns auch nicht zu, zu sagen, ob Nestlé oder Unilever – nur um Beispiele für zwei tolle Unternehmen zu nennen – in den kommenden Jahren besser performt. Also kaufen wir beide und gewichten die Titel tendenziell gleich.
Das klingt wie der Smart-Beta-Faktor «Grösse»?
Pirmin Hotz: Das kann man so sehen, aber ich würde unsere Strategie nie mit einem Begriff wie Smart Beta betiteln. Für mich ist Smart Beta zu einem grossen Teil alter Wein in neuen Schläuchen. Es handelt sich einmal mehr um einen Marketinggag der Branche. Smart Beta wird als Alpha-Generator dargestellt, der systematisch höhere Rendite als irgendwelche Benchmarks liefert. Das ist natürlich Unsinn.
Als Alpha-Generatoren werden alternative Anlagen wie Hedgefonds oder Private Equity dargestellt.
Pirmin Hotz: Das bereitet mir grosse Sorge – dabei handelt es sich um ein Pulverfass. Diese Anlagen sind illiquide, intransparent und hochmargig. Man darf nicht vergessen, dass diejenigen, die heute Investitionsentscheide fällen, in 15 oder mehr Jahren, wenn sich zeigt, ob die Anlagen auch werthaltig sind, nicht mehr verantwortlich sind. Die kolportierten Renditen von Infrastruktur-Investitionen, Hedgefonds und so weiter weichen deutlich davon ab, was denn tatsächlich unter dem Strich verdient wird. Fairerweise muss man sagen, dass es auch einige sehr attraktive Gelegenheiten im Private-Equity-Bereich gab und gibt. Das Problem ist aber, an diese Anlagen heranzukommen und diese überhaupt frühzeitig als zukunftsträchtige Anlagen zu erkennen.
Also sollte man besser die Aktien eines Anbieters solcher Anlagen – etwa Partners Group – kaufen, als selbst in Alternativanlagen zu investieren?
Pirmin Hotz: Absolut. Dadurch beteiligt man sich viel direkter am Gewinnpotenzial.
Sie halten bondseitig nur erstklassige Unternehmensanleihen – damit kann derzeit kaum Ertrag erwirtschaftet werden, weshalb halten Sie nicht einfach Cash?
Pirmin Hotz: Erstens besteht bei Bargeld immer ein Gegenparteirisiko. Ich schliesse den Konkurs von Grossbanken nach wie vor nicht aus – besonders mit Blick auf die dünnen, harten Eigenkapitaldecken könnte das sehr rasch der Fall sein, wenn die Staatsschuldenkrise erneut aufflammt. Zweitens wird zurzeit mit erstklassigen Unternehmensanleihen etwa 0,5 Prozent verdient, und das bei einer Inflation von Minus 1 Prozent. Das entspricht in etwa derselben Rendite wie damals, als solche Papiere 5,5 Prozent abwarfen, die Inflation mit 4 Prozent aber den Grossteil des Verdienstes aufzehrte. Für Privatinvestoren ist es derzeit sogar besser als früher, denn sie zahlen auf den Coupon kaum mehr Steuern. Aus kurzfristigen Überlegungen eine langfristig sinnvolle Anlagestrategie zu ändern, ist nicht mein Ding.
PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.
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