Core-Satellite-Ansatz als Rohrkrepierer
In den letzten Jahren kamen zur strategischen Allokation vieler Pensionskassen immer neue Anlagekategorien hinzu. Der Anspruch ist, dass damit die Diversifikation verbessert wird. Doch das Anlagesammelsurium bringt nicht nur nichts, sondern kostet zudem viel.
Früher bestand die Strategie einer idealtypischen Pensionskasse aus Liquidität und Franken-Obligationen als Stabilitätsanker auf der Nominalwertseite und aus Aktien und Immobilien als Renditetreiber auf der Realwertseite. Glaubt man heutigen Studien und Spezialistenempfehlungen, ist dies veraltet. Ist dem so?
Alternative Anlagen, politisch angeregt
Wenn man die heutige durchschnittliche Pensionskasse betrachtet, findet man eine Vielzahl relativ neuer Anlagekategorien mit jeweils bescheidenem, aber tendenziell steigendem Gewicht. Ein Blick auf die Allokation des repräsentativen UBS Pensionskassen-Indexes per Anfang 2024 bestätigt dies: 2.1% Hedge Funds, 4.1% Private Equity, 1.8% Infrastruktur und 1.3% Rohstoffe (vgl. Tabelle). Wie kam es historisch zu diesem Alternative-Anlagen-Sammelsurium?
Nach dem Platzen der monumentalen DotCom-Blase zu Beginn des Jahrhunderts waren die Pensionskassen empfänglich für die Versprechen der Marketingartisten: Hedge Funds versprachen, künftig die soeben erlittenen Aktienverluste zu vermeiden, und Private Equity versprach attraktivere Renditen als die börsennotierten Aktien.
Als Auswirkung der wenige Jahre danach folgenden Finanzkrise (2007 bis 2009) sank das Zinsniveau derart tief, dass Pensionskassen weitere alternative Renditequellen suchten. So kamen beispielsweise die Infrastrukturanlagen auf den Radar. Im Gleichschritt schafften es die Finanzlobbyisten in Bern, das unsinnige Anlagekorsett gemäss BVV2 so zu erweitern, dass es quasi wie eine behördliche Empfehlung klingt, in die zulässigen alternativen Anlagekategorien effektiv auch zu investieren. Die Behörden mögen solche Vorgaben, weil es einfacher ist, die quantitative Zulässigkeit zu prüfen als die ökonomische Zweckmässigkeit.
Diese BVV2-Vorgaben (insbesondere Art. 53 und 55) sollten gestrichen und durch eine «Prudent Investor Rule» ersetzt werden: Zulässig ist, was zweckmässig ist – die Verantwortlichen bestimmen dies eigenverantwortlich. Bei nicht sachkundigem Vorgehen tragen sie die Haftung.
Ausser Kosten nichts gewesen
Was hat dieses Alternative-Anlagen-Sammelsurium hinsichtlich Diversifikation gebracht? Um dies zu untersuchen, werden mit einer vereinfachten Allokation des UBS Pensionskassen-Index die Rendite und das Risiko über 20 Jahre mit Monatsdaten berechnet (Anfang 2004 bis Ende 2023) (siehe Tabelle). Dabei werden die Festverzinslichen den Schweizer Obligationen zugeschlagen und die Infrastruktur mangels langfristiger Daten je hälftig auf Hedge Funds und Private Equity aufgeteilt. Hinsichtlich Risiko und Rendite ist dies zweckmässig. Über diese Zeitspanne beträgt die jährliche Rendite 4.53 und die Volatilität 6.15%.
Die knapp 10% alternativen Anlagen werden nun so auf Obligationen CHF und Aktien Schweiz verteilt, dass dieselbe Rendite (Variante A) respektive dasselbe Risiko (Variante B) wie bei der Allokation mit alternativen Anlagen anfällt.
Es zeigt sich in Variante A, dass das Risiko von 6.15 auf 5.67% gesenkt werden kann, obschon die Diversifikation mit einer geringeren Anzahl Anlagekategorien scheinbar verringert wird. Dies erstaunt nicht, denn die Anlagen unterliegen den gleichen wirtschaftlichen Zyklen.
Bei illiquiden Anlagen wie Private Equity oder direkt gehaltenen Immobilien scheinen die Schwankungen nur tiefer, weil es keine dauernd beobachtbaren Marktpreise gibt. Die ökonomischen Verlustrisiken sind deshalb nicht geringer. Ein Beispiel: Die Volatilität bei indirekten Immobilien beträgt 8.4%, jene der direkten Immobilien dank buchhalterischer Glättung der Schätzwerte unrealistische 0.6% – ein Narr, wer glaubt, er wäre bei einer Immobilienkrise sicherer mit direkten Immobilien. Dasselbe gilt für andere illiquide Anlagen.
Man kann auch bei gleichem Risiko die Rendite erhöhen, wenn man die alternativen Anlagen weglässt (Variante B): Die jährliche Rendite steigt dann von 4.53% auf 4.75%. Über 20 Jahre führt dies dazu, dass das Vermögen um rund 10% mehr ansteigt. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn nach Kosten beträgt die Differenz im Endvermögen nach 20 Jahren enorme 25%.
Was ist der Grund? Der überschaubare Anteil an alternativen Anlagen schlägt bei den Kosten massiv zu Buche: Die Vermögensverwaltungskosten bei einer Strategie mit alternativen Anlagen liegen schätzungsweise bei 0.66% p.a. und ohne alternative Anlagen bei 0.31%.[1] Die Allokation an alternativen Anlagen von knapp 10% verdoppelt somit die Kosten.
Der CoreSatelliteAnsatz ist unter diesem Aspekt ein Rohrkrepierer: Was nützt es, bei den traditionellen Anlagen auf eine günstige Umsetzung zu achten, wenn bei den Alternativen ein massiver Kostennachteil besteht? Rechtfertigen mit guter Diversifikation oder höherer Rendite kann man dies kaum, wie obige Berechnung zeigt.
Was ist das Fazit für die Strategiedefinition von Pensionskassen?
- Eine Anlagestrategie sollte auf transparenten Anlagekategorien aufbauen, für die es historisch belegbare Evidenz zu Risiko- und Renditeeigenschaften gibt. Börsennotierte Aktien sind der unangefochtene Renditetreiber. Gute Frankenobligationen laufen den alternativen Anlagen den Rang ab, wenn es um eine langfristig solide Diversifikation geht. Deren Korrelation mit Aktien ist in der Betrachtungsperiode mit 0.16 auch deutlich geringer als bei Private Equity mit 0.80 oder Hedge Funds mit 0.68.
- Anlagekategorien, die diese Grundanforderung erfüllen, sollten mit Überzeugung eingesetzt werden, d.h. idealerweise mit mindestens 5%. Sonst erhöht sich nur die Komplexität der Umsetzung, ohne eine Wirkung zu erzielen.
- Eine Investition in illiquide Anlagen mit dem Argument der Diversifikation funktioniert in den meisten Fällen nicht. Es ist eine buchhalterische Scheindiversifikation aufgrund geglätteter «Net Asset Value»-Schätzwerte.
- Die Anlageverantwortlichen sollten verinnerlichen, dass das Vermeiden von unnötiger Komplexität hilft, Kosten zu sparen und die Abhängigkeit von Beratern und Anbietern zu minimieren.
- Die Anlagekategorie-Vorgaben gemäss BVV2 sind keine Empfehlung und kein Hinweis auf Sinnhaftigkeit.
- Selbst wenn das Marketing für eine Anlagekategorie gut klingt, müssen sich die Anlageverantwortlichen jeweils die Frage stellen, ob sie auch mit ihrem Privatvermögen eine Investition tätigen würden. Wer zeichnet schon für das eigene Geld zu 2% bis 5% jährlichen Kosten einen Knebelvertrag über zehn Jahre oder mehr?
TAKE AWAYS
- In den letzten Jahren haben viele Pensionskassen ihr Engagement in alternativen Anlagen und Infrastruktur ausgebaut.
- Meist wird damit durch die verzögerte Modellbewertung nur eine buchhalterische Diversifikation erreicht – hinsichtlich Rendite und Risiko bringen die Investments keinen Mehrwert.
- Die Kosten eines Portfolios mit alternativen Investments sind doppelt so hoch wie diejenigen eines Portfolios ohne solche Investitionen.
1 Für Aktien und Obligationen wird ein Kostensatz von 0.2 % p.a. gemäss c-alm Unterlagen «Kostenwahrheit der Kapitalverwaltung» vom 7. September 2023 für Mandate von CHF 20 Mio. unterstellt. Der Kostensatz von 0.7% für Immobilien richtet sich nach dem TER für typische Schweizer Immobilienanlagen. Für Private Equity wird 5.0% unterstellt, basierend auf der von PPCmetrics in der FuW im Oktober 2017 genannten Bandbreite von 5 bis 6%, für Hedge Funds gilt dasselbe. Bei Infrastruktur ergab eine Umfrage bei Pensionskassen einen Kostensatz von 2.5%. Für Rohstoffe wird 1.5% angenommen. Zur Plausibilisierung des Gesamtkostensatzes sei zum einen auf die Äusserung von Iwan Deplazes, Leiter Asset Management bei der ZKB, verwiesen, wonach der Mittelwert der Vermögensverwaltungskosten bei 0.54% lag («NZZ», 15. November 2023). Dies deckt sich zum anderen mit der c-alm Kostenstudie von 2019, die 0.5% als Gesamtkosten auswies.
Thomas Hauser
Dr. rer. pol., Managing Partner, Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG
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- Diversifikation
- Direktanlagen und Transparenz