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Vorsicht vor Renditeversprechen

Niedrigzinsen geben falsche Anreize und verleiten Investoren und Vermögensberater dazu, von der klassischen Asset Allocation abzuweichen. Sie fallen auf Renditeversprechen herein.

Vermögensverwalter durchleben keine einfache Zeit. Keiner der heute praktizierenden Berufsvertreter hat je erlebt, dass er für erstklassige Staatsanleihen nicht etwa einen Zins von 3 oder 5% erhält, sondern im Gegenteil einen solchen von unter 1,3% für zehnjährige deutsche und amerikanische Titel und weniger als 0,5% für eidgenössische Papiere. Am kurzen Ende sind die Zinsen sogar fast null. Die negativen Realzinsen für erstklassige Bonität sind die Konsequenz der krisenbedingten extremen Geldschöpfung der Notenbanken und einer enorm verunsicherten Anlegerwelt.

Dass sich gerade institutionelle Investoren ungern mit diesen Niedrigzinsen zufriedengeben, versteht sich von selbst. Schweizer Pensionskassen benötigen eine Verzinsung von mindestens 3 bis 4%, damit ihr Deckungskapital nicht erodiert. Woher soll diese Rendite kommen, wenn es fast keinen Zins mehr gibt?

FALLSTRICK VERÄUSSERBARKEIT
Naheliegend wäre, wenn nicht schon geschehen, den unattraktiv gewordenen Obligationenteil im Portefeuille drastisch zu reduzieren und durch Alternativen, die mehr Erfolg versprechen, zu ersetzen. Doch hier ist Vorsicht geboten. Eine substanzielle Veränderung der Asset Allocation heisst, vom Regen in die Traufe zu kommen. Die Versuchung ist gross, Festzinsanlagen mit hoher Bonität gegen strukturierte Produkte aller Art – Hedge Funds, Private Equity, Rohstoff-und Immobilienanlagen – zu tauschen, mit dem Resultat, dass sich das Risiko des Anlagevermögens in einem potenziell gefährlichen Mass erhöht. Fast noch schlimmer ist, dass es solchen Papieren oft an Transparenz und Liquidität fehlt. Die Veräusserbarkeit der Anlagen wird damit zum Problem. Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise sollte das Investoren bewusst sein. Vollmundigen Renditeversprechen alternativer Anbieter ist mit Skepsis zu begegnen. Denn nicht wenige Vertreter von Hedge Funds und Private-Equity-Vehikeln neigen dazu, ihre kaum nachvollziehbaren und intransparenten Performanceergebnisse zu beschönigen.

Es widerspricht der Logik, eine Anlagestruktur aus qualitativ erstklassigen Direktengagements in Obligationen und Aktien nur deswegen über Bord zu werfen, weil das Zinsniveau historische Tiefst erreicht hat. Die Suche nach Rendite sollte unabhängig vom aktuellen Zinsumfeld sein. Das führt zwangsläufig zur Frage: Wie wichtig ist denn überhaupt die Performance in der Vermögensverwaltung?

Die Frage mag rhetorisch klingen, ist es doch selbstverständlich, dass Investoren respektive Vermögensverwalter im Endeffekt eine möglichst hohe Rendite auf ihrem Kapital sehen wollen. Die Erfahrung zeigt allerdings allzu oft, dass auf der Suche nach Rendite die falschen Prioritäten gesetzt werden. So wird regelmässig in diejenigen Produkte und Fonds investiert, deren Manager in der (oft kurzen) Vergangenheit am besten waren. Empirische Studien zeigen, dass diese Selektion gefährlich ist. Viele der bewunderten «Stars» erreichen ihre Traumresultate mit hochriskanten Strategien und oft illiquiden Anlagen, die sich im Fall einer Korrektur als Bumerang erweisen.

«Kaum ein Anlageberater sagt dem Kunden ungeschminkt seine eigene Meinung.»

AN BEWÄHRTEM FESTHALTEN
Erfolgversprechender und sicherer ist es, sich zu überlegen, welche Anlagestruktur langfristig die besten Chancen bietet. Tipps von Investmentgurus und die Verlockungen von zweifelhaften und intransparenten Finanzprodukten mit überhöhten Renditeversprechen haben unter diesem Gesichtspunkt einen schweren Stand. Der beste Schutz gegen unangenehme Überraschungen ist eine völlig transparente, qualitativ hochwertige und unspektakuläre Anlagepolitik, die primär aus kostengünstigen Direktengagements in Aktien und Obligationen besteht.

Auch die eindimensionale Suche nach Rendite führt nicht zum Erfolg. Eine nachhaltig überzeugende Performance ist vielmehr das Resultat einer glaubwürdigen und ehrlichen Vermögensverwaltung. Die aktuellen Marktverhältnisse sind ein Zustand, den wir einfach akzeptieren müssen. Nichts bleibt auf ewig, ausser, dass sich Aktien und Obligationen in fast jeder Marktphase bewähren. Neue Finanzprodukte sollen höchstens ein Zusatz, nicht aber der Kern des Vermögens sein, wobei der Anteil je nach Risikopräferenz des Anlegers variiert.

ANSPRUCH AN ZINSEN ANPASSEN
Anpassen müssen wir unsere Ansprüche. In dieser Hinsicht gibt es noch erheblichen Bedarf, wenn zum Beispiel ein Kollaps der Sozialsysteme verhindert werden soll. Ein technischer Zins von 3,5 oder 4%, wie er von Pensionskassen noch immer als Berechnungsbasis für den Deckungsgrad verwendet wird, ist ein Relikt der Vergangenheit.

Leider spielen in diesem schwierigen Prozess auch die Vermögensberater nicht immer eine glückliche Rolle. So ist im Umgang mit der Verwaltung von Pensionskassengeldern immer wieder Erstaunliches festzustellen. Die Struktur respektive die Entscheidung über die Asset Allocation eines Wertschriftenvermögens beeinflusst mindestens zu 90%, wie sich Rendite und Risiko in Zukunft entwickeln. Höchstens 10% werden durch die Taktik und die Manager- sowie die Titelselektion bestimmt.

Wer nun annimmt, dass sich die Berater in ihrer aktiven Rolle primär mit ihrer wichtigsten Aufgabe im Anlagegeschäft, der Kundenberatung eben, befassen, irrt. Kaum ein Anlageberater wagt es nämlich, seinen Kunden ungeschminkt die eigenen Präferenzen und Meinungen zu Anlageklassen wie Aktien, Obligationen, Schwellenmarktanleihen, Hedge Funds, strukturierten Produkten, Private Equity, Immobilienfonds, Infrastrukturanlagen, Absolute-Return-Produkten etc. zu unterbreiten. Womöglich mangelt es am Verständnis. Vor allem aber äussert man sich zurückhaltend, um für die Kunden attraktiv zu bleiben und sie in ihrer eigenen Ansicht zu bestärken. Klare Positionsbezüge werden oft rücksichtsvoll vermieden. Ob das im Sinn der Kunden ist, die eine pointierte und unabhängige Meinung erwarten – auch mal eine konträre –, ist fraglich. Auch da ist noch einiges zu tun.

Berater sind flexibel und bauen je nach Kunden das gesamte Potpourri an Anlageprodukten und Managerstilen in ihre Entscheidung mit ein. Selektioniert wird wie eingangs erwähnt häufig anhand der historischen Performance. Da die meisten aktiven Manager auf Dauer die Benchmark besonders nach Kosten nicht erreichen, werden so falsche Akzente gesetzt.

Statt den Fokus auf diejenigen Aktivitäten zu legen, die ohnehin höchstens 10% der Rendite beeinflussen, würde man sich besser eingehend und kritisch mit den Vor- und den Nachteilen, also dem Fluch und dem Segen der einzelnen Anlagekategorien – besonders der klassischen wie Aktien, Staatsanleihen, Corporate Bonds, Währungen – befassen. Anleger, die sich auch für Hedge Funds, strukturierte Produkte und Private Equity interessieren, sollten dies zumindest mit der nötigen Distanz und Fachkenntnis tun.

KLUMPENRISIKEN IM INDEX
Einfach machen sich die Arbeit diejenigen, die sich kritiklos für Indexprodukte einsetzen. Zwar spricht vieles für eine langfristige und tendenziell passive Anlagestrategie. Indexprodukte bergen jedoch häufig Risiken, die nicht im Sinne der Investoren sind. So umfasst zum Beispiel eine Anlage in die schweizerischen Aktienindizes SMI und SPI Klumpenrisiken, weil allein die drei Aktien Nestlé, Novartis und Roche fast die Hälfte der Marktkapitalisierung dieser Indizes verkörpern. Wird darüber hinaus empfohlen, in Obligationen gemäss den verbreiteten Obligationenindizes zu investieren, setzt man vor allem auf die Schuldenkönige Amerikas, Japans und Europas. Auch eine langfristig ausgerichtete und weitgehend passive Anlagepolitik darf die den Indizes innewohnenden Risiken nicht unterschätzen. Nach all den Krisen sind wir als Vermögensberater es den Kunden schuldig, eine klare Meinung zur Anlage, zu ihren vielen Facetten, ihrer Funktion und ihrem Zusammenwirken zu bilden und sie im Sinne des langfristigen Wohls des Kundenvermögens sachlich und überzeugend zu äussern. Das ist gelebte Unabhängigkeit.


28. November 2012


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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