Unverrückbare traditionelle Anlagegrundsätze
Banken und Vermögensverwalter raten seit einiger Zeit zum Überdenken traditioneller Anlagegrundsätze. Alternative Anlagen sowie komplexe strukturierte Produkte erleben eine dynamische Entwicklung. Der Autor dieses Beitrags erkennt darin eine Modeströmung. (Red.)
Die eklatante Börsenbaisse der Jahre 2001 bis zum Frühjahr 2003 hat die Nerven vieler Anlageberater und von deren Kunden stark strapaziert und verunsichert. Institutionelle Anleger – besonders die Exponenten der in dieser Phase arg zerzausten Versicherungsindustrie – und private Investoren haben in einem ungünstigen Zeitpunkt Aktienanlagen teilweise zu Tiefstwerten auf den Markt geworfen. Sie sind wohl primär an der Unkenntnis ihrer eigenen Risikofähigkeit gescheitert. Seither hat sich in der Branche die Überzeugung durchgesetzt, dass traditionelle Vermögensverwaltungsgrundsätze zu überdenken seien.
Ernüchterung bei Hedge-Funds
Die Gilde der Anlageberater hat in den letzten Jahren ihre Kunden motiviert, Aktien und Festzinsanlagen zumindest teilweise in Hedge-Funds oder strukturierte Produkte umzuschichten. Knapp drei Jahre nachdem die weltweiten Börsen ihren Tiefpunkt erreicht haben, lässt sich sagen, dass die Vertreter dieser modernen Anlageinstrumente riskieren, vom Regen in die Traufe zu geraten. Die hohen Erwartungen, die mit absoluten und börsenunabhängigen Renditen – es wurden Nettorenditen von 10 bis 15% pro Jahr kolportiert – geschürt wurden, haben sich verflüchtigt.
Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die ernüchternde Entwicklung der alternativen Anlagen nur eine temporäre Erscheinung ist oder ob dies eher den Normalfall darstellt. Welche Rendite ist realistisch zu erwarten? Grundsätzlich gibt es wohl zwei Ursachen, die das langfristige Wohl der Anleger bestimmen. Erstens ist dies der ökonomische Mehrwert, der durch die Produktivität unserer Unternehmen und unserer Volkswirtschaft entsteht. Der Aktionär profitiert langfristig von Kurssteigerungen und der Einnahme von Dividenden. In der Fachsprache wird diese Renditekomponente auf das systematische Risiko «Beta» zurückgeführt. Zugleich erhält der Obligationär einen Festzins, dessen Höhe das Bonitätsrisiko des Schuldners reflektiert. Pictet errechnet für die Periode von 1926 bis 2004 eine Durchschnittsrendite für Schweizer Aktien von 9,81%, für Obligationen eine solche von 4,62%. Die Differenz von rund 5% pro Jahr entspricht der langfristig zu erzielenden Risikoprämie.
Die Vertreter der Finanzbranche proklamieren gerne eine zweite Erklärung für eine prosperierende Wertentwicklung der Vermögen ihrer Kunden, nämlich ihre eigene Prognosefähigkeit. Sie glauben zu wissen, zu welchem Zeitpunkt viele, wenige oder keine Aktien zu halten sind, welche Branchen über- oder unterzugewichten sind, welche Titel wann gekauft oder verkauft werden sollen, wieweit Aktien leer verkauft werden müssen oder welche Rohstoffe gerade lukrativ sind. In der Fachwelt wird die Fähigkeit, mit Prognosen Überrenditen zu erzielen, mit dem «Alpha» gemessen. Gerade die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gelehrt, dass dieser Wunsch nach hoher Prognosekompetenz unerfüllt geblieben ist. Weder der legendäre Crash im Oktober 1987 noch die massive Korrektur zur Jahrtausendwende, noch die daran anschliessende Erholung konnte von der breiten Beraterschar vorausgesagt werden. Wer dies nicht glaubt, wagt am besten einen Blick in die damaligen Analystenkommentare. Eine neue Studie des Londoner Finanzinformations-Dienstes Digital Look bestätigt, dass es in jüngerer Zeit mit der Trefferquote der Analytiker keineswegs besser geworden ist. Die Finanzmärkte sind in einer globalisierten Welt schlicht zu effizient in der Informationsverarbeitung, als dass eine systematische Prognostizierbarkeit oder gar von einigen «Gurus» propagierte Arbitrage-Gewinne noch möglich wären.
Wenn von einigen Hedge-Funds Überrenditen erzielt werden, handelt es sich oft um Anlagen mit geringer Liquidität. Die in den letzten Jahren mit frischen Mitteln überschwemmte Branche wird spätestens dann gravierende Probleme haben, wenn desillusionierte Anleger Rückzüge verlangen. Eine positive Illiquiditäts-Prämie wird sich dann rasch in ein negatives Illiquiditäts-Handicap verwandeln – so geschehen bei vielen Titeln der einst hochgejubelten New Economy. Wir müssen wohl oder übel akzeptieren, dass wir eine langfristig erfolgsorientierte Vermögensverwaltung nicht von unserer äusserst unsicheren Prognosequalität abhängig machen dürfen.
Horrende Gebühren belasten
Damit stellt sich, gerade im Kontext historisch niedriger Zinssätze, zwangsläufig die Frage der Gebühren und der zu erwartenden Netto-Performance. Wird die künftige Rendite von schweizerischen Obligationen realistisch mit 2% angenommen, ergibt sich bei einer Risikoprämie von 5% eine Renditeerwartung für Aktien, die bei 7% liegt. Aufgrund der Risikoeigenschaften lässt sich ableiten, dass die Renditeerwartung für Hedge-Funds zwischen diesen Werten, beispielsweise bei 5%, liegen dürfte. Wenn davon die von Experten veranschlagten Gesamtgebühren von jährlich 3% bis 6% in Abzug gebracht werden, bleibt für den Anleger kaum etwas übrig. Das kontrastiert natürlich markant mit den Versprechungen der Branche, nicht aber mit den erzielten Ergebnissen der vergangenen Jahre.
Die letzten Monate steigender Aktienkurse haben überdies gezeigt, dass nicht wenige Anleger langsam nervös werden. Sie haben in einem ungünstigen Zeitpunkt die Aktienquote reduziert und in alternative, hochmargige Anlageformen umgeschichtet. Die Baisse haben sie mitgemacht, die seither eingetretene Erholung aber weitgehend verpasst. Oft wissen die Anleger kaum, was in den teilweise mit drolligen Namen versehenen Produkten überhaupt enthalten ist. Sie sind einmal mehr den vollmundigen Versprechungen der Marketing-Artisten erlegen. Es ist nur zu hoffen, dass sie nicht bald schon vom nächsten «Paradigmenwechsel» der Finanzbranche in die falsche Richtung geschickt werden. Die langfristig attraktiven Renditen von Aktien und Obligationen sind schliesslich nicht zuletzt das Entgelt für die kurzfristigen Schwankungen, die es unumstösslich zu tragen gilt. Es ist nur ehrlich, diese Tatsache als Kern unserer interessanten, aber unsicheren Finanzwelt zu akzeptieren.
20. Februar 2006
PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen
in Baar. Die Firma
hat 12 Mitarbeiter
und betreut Private
und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten
Vermögen um 12%.
- Alternative Anlagen
- Diversifikation
- Direktanlagen und Transparenz
- Prognosefähigkeit
- Verkaufsdruck
- Langfristig