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«Schnäppchenjäger gehen besser ins Kasino»

FUW-Mittwochsinterview Pirmin Hotz, der Zuger Vermögensverwalter, vertraut nur bester Qualität.

Herr Hotz, der Sommer gilt an der Börse als heikel, den Märkten fehlt es in der Regel an Orientierung. Ist das für Sie ein Thema?
In der Tat ist der Sommer oft eine ziemlich flaue Börsenzeit. Dieses Jahr sieht die Entwicklung bisher allerdings sehr erfreulich aus. Sich an kurzfristigen und saisonalen Trends zu orientieren, ist wenig sinnvoll, weil sie nicht prognostizierbar sind. Unsere Anlagepolitik ist langfristig ausgerichtet, und das sollte sie grundsätzlich für jeden Investor sein.

Also kein Handelsbedarf?
Rückschläge, wie sie im Juni stattgefunden haben, nutzen wir zum antizyklischen Aufbau unserer Aktienquoten. Nachdem sich der Juli sehr erfreulich entwickelt hat, haben wir davon profitiert. An dieser Politik halten wir fest.

Macht die fortgesetzte Geld¬flut der Notenbanken den Investitionsentscheid weiterhin einfach, im Sinne von: unattraktive Zinspapiere, chancenreiche Aktien?
Ich bin nicht der Meinung, dass die Aktienmärkte primär durch die lockere Geldpolitik der Notenbanken getrieben sind. Das sind oft geäusserte Aussagen von Anlegern, die zu wenig Aktien haben und die jüngste Hausse verpassten.

Was treibt dann die Kurse?
Ausschlaggebend für die Aktienhausse sind die hervorragenden Unternehmensergebnisse, die attraktiven Dividendenrenditen, eine nach wie vor faire Bewertung sowie eine historisch hohe Risikoprämie der Aktien gegenüber Obligationen. Viele Investoren, die in den vergangenen Jahren durch zwei grosse Börsenkrisen verunsichert worden sind, realisieren wieder, dass Aktien die langfristig mit Abstand attraktivste Anlageform sind. Ausserdem wird die Zinssensitivität von Aktien überschätzt. Sinkende Zinsen sind längst keine Garantie für eine feste Börse. In der Finanzkrise haben auch Aktien schmerzhafte Verluste erlitten, obwohl die Zinsen gesenkt wurden.

Sofern sich die konjunkturelle Aufhellung in den USA fortsetzt, wird die Notenbank ihr Liquiditätsprogramm QE 3 bald zurückfahren. Haben Anleger Handlungsbedarf?
Mit Blick auf mittel- bis längerfristig steigende Zinsen empfiehlt es sich, bei Obligationen die Laufzeiten kurz zu halten. Auch sollte an der Qualität keine Kompromisse gemacht werden – also zum Beispiel keine High Yields, auch wenn sie mit Hinweis auf die angeblich verlockende Zinsdifferenz weiter empfohlen werden. Minderwertige Obligationen, ob von Unternehmen, von Industrie- oder von Schwellenländern, werden bei einem Zinsanstieg überproportional an Wert verlieren.

Selbst wenn Obligationen in ein diversifiziertes Depot gehören – ist für Topqualität mit ihren dürren Renditen nicht das Betteln versäumt?
Wegen der unattraktiven Verzinsung haben viele Anleger die Tendenz, entweder die Schuldnerqualität ihrer Obligationen zu reduzieren und vermehrt Junk Bonds zu kaufen, oder anstelle festverzinslicher Anlagen in Immobilien, strukturierte Produkte, Hedge Funds oder Private Equity zu investieren. Das führt zu einer gefährlichen Steigerung der Portfoliorisiken. Wenn die Zinsen steigen, gibt’s in diesen Segmenten happige Verluste. Eine sinnvolle Anlagestrategie, die auch erstklassige Obligationen enthält, darf nicht über den Haufen geworfen werden, nur weil die Zinsen niedrig sind. In Alternativen wie Hedge Funds, strukturierte Produkte oder Private Equity investieren wir prinzipiell nicht. Sie scheitern auch punkto Kosten und Transparenz an unseren Vorgaben.

Auch Cash ist uninteressant. Was tun?
Liquidität soll die Möglichkeit bieten, jederzeit flexibel und handlungsfähig zu sein, um antizyklisch Opportunitäten zu nutzen. Dass die Rendite ungenügend oder sogar negativ ist, ist bei kurzfristig und sicher disponierten Geldern sekundär. Jedoch sollte in Zeiten finanzieller Repression und negativer Realzinsen die Liquidität nie höher sein als nötig.

Das wäre?
In ausgewogenen Portfolios durchschnittlich rund 5%. Wegen des Gegenparteirisikos, das bei Banken nach wie vor besteht, wollen wir die Quote nicht zu hoch halten. Wir ziehen sodann die Anlage in kurz laufende und jederzeit veräusserbare Obligationen einer zu hohen Liquidität vor. Damit erreichen wir eine bessere Risikostreuung, ohne übermässige Zinsrisiken in Kauf zu nehmen.

Wird die Zinssensitivität von Aktien, die Sie angesprochen haben, gegen oben auch unterschätzt? Bieten Aktien Schutz, wenn die Zinsen steigen?

«Eine Anlagestrategie muss langfristig definiert sein und über eine grundsolide Diversifikation verfügen.»

Kurzfristig wird ein Zinsanstieg die Anleger verunsichern und die Börsen belasten. Mittel- und langfristig kann ein höheres Zinsniveau aber sogar positive Signale an die Marktteilnehmer aussenden. Zinssteigerungen werden nämlich mit einer verbesserten Konjunktur einhergehen, und die wirkt positiv auf die Unternehmen. Diese sind zudem in der Lage, steigende Preise im Kontext höherer Inflation und Zinsen auf die Kunden zu überwälzen, was die Margen stützt.

Soll, wer Aktien übergewichtet hat, daran festhalten? Haben sich an den Börsen noch keine Blasen gebildet?
Wir sehen keine Alternativen zu einem hohen respektive übergewichteten Aktienanteil. Allerdings sollten die markanten Kursavancen der letzten Monate zu Teilverkäufen genutzt werden, um die Aktienquote wieder in Richtung der langfristigen Strategie zurückzuführen. Die nach wie vor faire Bewertung des Markts mit einem durchschnittlichen KGV von rund 14 weist aber nicht auf eine Blase hin. Rückschläge, die es jederzeit geben kann, sollten deshalb wieder zum Rückkauf ausgewählter Positionen genutzt werden.

Gibt’s anders herum gefragt noch Schnäppchen?
Von der Jagd auf sogenannte Schnäppchen halten wir nichts. Eine Anlagestrategie muss langfristig definiert sein und über eine grundsolide Diversifikation verfügen. Dabei darf an der Qualität, ob Aktien oder Obligationen, nicht gerüttelt werden. Wer sich auf Schnäppchen einlässt, macht oft Qualitätskompromisse und kann genau so gut ins Kasino gehen.

Eine nachhaltige Aktienentwicklung setzt langfristiges solides Ertragswachstum voraus. Wo endet sich diese Eigenschaft?
Die führenden multinationalen Unternehmen, deren Aktien in unseren Kundendepots primär vertreten sind, steigern Umsatz und Gewinn weiterhin erfreulich. Selbstverständlich sind keine zweistelligen Steigerungsraten mehr zu erwarten. In einer inflationsarmen Zeit ist ein Unternehmenswachstum von 4 bis 6% schon sehr beachtlich. Dabei legen wir den Fokus auf europäische und amerikanische Marktführer aller wichtigen Branchen und bleiben einzig bei Aktien von Grossbanken zurückhaltend, die mit Eigenmittelquoten von unter 3% nach wie vor massiv unterkapitalisiert sind.

Was haben Sie zuletzt verkauft?
Bereits seit einiger Zeit haben wir die Laufzeiten bei den Obligationen deutlich verkürzt. Wegen der starken Performance haben unsere Aktienquoten zudem in vielen Fällen die obere Bandbreite erreicht. Das zwingt uns, Gewinne zu realisieren, um die Aktienquote sukzessive und antizyklisch wieder an die Strategiequote heranzuführen, die bei einem ausgewogenen Portfolio zwischen 40 und 50% beträgt.

Halten Sie stur daran fest, auch wenn Sie von der Fortsetzung des Aufschwungs überzeugt sind?
Unsere Anlagepolitik ist tatsächlich von einer gewissen Sturheit geprägt. Der Grund ist einfach: Wir akzeptieren, dass unsere kurz- und mittelfristige Prognosefähigkeit viel weniger taugt, als wir uns wünschten. Deshalb hängt der langfristige Erfolg eines Investors massgeblich davon abhängig, eine intelligente Anlagestruktur konsequent, diszipliniert und damit auch etwas stur umzusetzen. Die meisten Vermögensverwalter und Banker überschätzen ihre Fähigkeiten in dieser Hinsicht kolossal. Sie springen von einer Idee zur andern und verrennen sich dabei.

Was könnte die nächste Investition sein?
Nach einer Korrektur von 5 bis 10% werden wir antizyklisch wieder Zukäufe veranlassen, in Qualität – wie immer.

Empfehlen Sie auch Indexanlagen?
Wir bevorzugen die Anlage in mindestens 20 bis 25 Einzeltitel, die eine gezielte und genügend breite Diversifikation ermöglichen. Indexanlagen sind gerade für kleinere Depots eine valable Alternative, wobei kostengünstige ETF, möglichst ohne Gegenparteirisiken, zu empfehlen sind.

Welche Einzeltitel drängen sich auf
In ein Depot mit mindestens 20 bis 25 qualitativ hervorragenden Einzeltiteln gehören Standardwerte wie Nestlé, Novartis, Roche, ABB, BASF, Bayer, Siemens, Unilever, Danone, Royal Dutch Shell, Coca-Cola, IBM, Johnson & Johnson, Procter & Gamble, Samsung und BHP Billiton.

Wer es etwas sportlicher liebt und das Risiko nicht scheut: Was ist da Ihr Tipp?
Solche Kunden charakterisieren sich durch einen höheren Aktienanteil. Das kann durchaus auch ein reines Aktienportfolio sein. Die Auswahl der Einzeltitel ist aber im Grundsatz die gleiche. Zocken kann der Kunde selbst, wenn er das wünscht.

INTERVIEW: HANSPETER FREY


7. August 2013

Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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