Pensionskassen stehen in der Verantwortung
In der Subprime-Krise frisst das Kind die eigene Mutter. Verschiedene Banken haben die zu grosszügig vergebenen amerikanischen Ramschhypotheken neu verpackt an den Kapitalmarkt gebracht, um die Kreditrisiken aus den Bilanzen auszulagern. Gier und der naive Glaube an eine fast risikolose Mehrrendite verleiteten die Handelsabteilungen der Banken und Hedge Funds dazu, genau diese Kreditrisiken wieder in die Bankbilanzen respektive in die Portfolios zu laden. Nun kämpfen viele Finanzinstitute und Hedge Funds mit ernsthaften Problemen oder sind wie im Falle von Bear Stearns oder Carlyle Capital bereits untergegangen.
Asymmetrische und kurzfristige Anreizstrukturen für Bankmanager und Händler – Gewinne werden teils durch die exorbitanten Saläre abgeschöpft, während die Verluste vollständig dem Aktionär verbleiben – führen dazu, dass übermässige Risiken eingegangen werden. Wenn darüber hinaus Banken aus Gründen des Systemschutzes auf die Hilfe der Zentralbanken zählen können, führt das zu Moral Hazard, und die unternehmerische Eigenverantwortung bleibt auf der Strecke.
Besondere Stellung
Es muss eine Diskussion über die Langfristigkeit der Anreize stattfinden: Bankkader, die langfristig Mehrwert schaffen, sollen ihren verdienten Anteil erhalten. Erfolglosigkeit darf aber nicht aus Branchenüblichkeit mit Millionengagen versüsst werden. Pensionskassen sowie andere institutionelle Anleger sind gefordert, künftig ihre Rolle als kritische Aktionäre in der Ausgestaltung von langfristig ausgerichteten Anreizsystemen für Führungskräfte verstärkt wahrzunehmen.
Das aktive Vertreten der Aktionärsrechte ist bei einem international diversifizierten Portfolio jedoch mit erheblichem Zeitaufwand oder Kosten im Falle einer Delegation der Ausübung an eine Organisation wie Ethos verbunden. Trotz dieses Aufwands braucht es eine kritische Masse an Investoren, die ihre Stimmrechte aktiv und kritisch ausüben. Den vielen mittelgrossen und kleineren autonomen Pensionskassen kommt eine besondere Stellung zu: Pensionskassen von Konzernen dürften sich bei solchen Diskussionen kaum bei Generalversammlungen anderer Grosser kritisch äussern und gegen die Anträge des Verwaltungsrats stimmen. Denn sonst lenken sie den Scheinwerfer ungewollt auf das eigene Unternehmen.
Die Verordnung BVV 2 verlangt in Artikel 49a «Führungsaufgabe», dass Vorsorgewerke Regeln zur Ausübung ihrer Aktionärsrechte definieren. In der Praxis investieren jedoch viele mittelgrosse und kleinere Pensionskassen mit Kollektivanlagen wie Institutional Funds. Bei diesen nimmt die verwaltende Bank die Stimmrechte wahr – meist im Interesse des jeweiligen Verwaltungsrats. Selbst Pensionskassen mit Direktanlagen halten im Reglement üblicherweise fest, dass Stimmrechte nur in Ausnahmesituationen aktiv wahrgenommen werden.
Wer erkennt aber die Ausnahmesituationen? Um dieser «Führungsaufgabe» vollumfänglich gerecht zu werden, müssten institutionelle Anleger erstens – entgegen dem Trend – vermehrt direkte statt kollektive Anlagen halten und zweitens einen Ausschuss zur zweckmässigen Wahrnehmung der Stimmrechte unterhalten oder diese Aufgabe trotz Kosten delegieren.
Wenn der gemäss Prospekt auf Kapitalerhaltung ausgerichtete Absolute Return Bond Fund einer Schweizer Grossbank fast ein Drittel seines Werts durch Subprime-verseuchte Anlageinstrumente verliert, ein indexorientiertes Rohhandelswarenprodukt eines renommierten angelsächsischen Asset-Managers um mehr als ein Drittel einbricht und der Geldmarkfonds einer anderen Schweizer Grossbank massiv an Wert einbüsst, reicht es nicht mehr, den Prospekten und Präsentationen der Verkäufer zu glauben. Die Anforderungen an Mitglieder von Anlageausschüssen sind gestiegen; vertieftes Fachwissen ist unerlässlich, um nicht der verkauften Illusion von mehr Rendite mit weniger Risiko zu verfallen.
Risiko unterschätzt
Anlageausschüsse müssen heute in der Lage sein, nicht offensichtliche Risiken zu erkennen und zu steuern. Beispielsweise sind für Anlagen ohne liquide Marktbewertung wie Private Equity, viele Hedge Funds, Schiffsbeteiligungen Waldbewirtschaftung die Angaben zu Rendite, Risiko und Korrelation trügerisch. Darauf basierende Allokationsentscheide dürften langfristig zu Enttäuschungen führen. Ein anderes Beispiel sind Institutional Funds, in denen üblicherweise durch die verwaltende Bank Securities Lending – Ausleihung von Titel an eine Drittpartei – betrieben wird. Insbesondere für Fonds ausländischen Rechts besteht ein Gegenparteirisiko gegenüber der verwaltenden Bank.
Selbst für gesichertes Securities Lending ist überdies unklar, wie der Zugriff auf die als Sicherheit hinterlegten Wertschriften für den einzelnen Investor im Falle eines Konkurses der verwaltenden Bank sichergestellt wäre, ob ihr Wert zur Deckung des Schadens ausreichen würde und wie die Verteilung der Vermögenswerte unter allen Kollektivinvestoren organisiert wäre. Oft sind sich die Verantwortlichen dieses Gegenparteirisikos kaum bewusst.
Anreiz schaffen
Dass Finanzakteure ihre Prognosefähigkeit systematisch überschätzen, ist zwar nichts Neues. Wenn aber Handelspositionen absichtlich falsch oder gar nicht bewertet werden und elementare Anlagegrundsätze wie Diversifikation, Volumenbeschränkung je Position sowie Vorsicht bei fremdfinanzierten Investitionen missachtet werden, ist das eine neue Dimension. Dass diese Fehler trotz angeblich strenger Risikokontrolle in Bankkonzernen geschehen sind, erstaunt. Wenn diese Banken sogar noch Nettoneugeld anziehen können, ist das Erstaunen umso grösser. Handeln die Investoren wirklich rational, wenn sie solchen Bankkonzernen zusätzliche Mittel anvertrauen?
Für grosse institutionelle Investoren kann es (leider) trotzdem rational sein. In der Regel entscheidet ein Gremium. Der Entscheidungsprozess dort folgt eigenen Anreizstrukturen – die sind meist asymmetrisch. Während beispielsweise der Anlageausschuss einer grossen Pensionskasse nicht direkt vom Anlageerfolg profitiert, besteht bei Misserfolgen rasch Erklärungsbedarf und – in extremis – sogar eine persönliche Haftung. Das führt dazu, dass für die Vergabe von Vermögensverwaltungsmandaten bekannte Banknamen bevorzugt werden. Die Gremien folgen gewissermassen einem Herdentrieb in der Wahl der Bank: Das Peer-Group-Risiko, also das Risiko, anders aufgestellt zu sein als eine Vielzahl von institutionellen Anlegern, wird dadurch minimiert. Aus persönlicher Sicht der Verantwortlichen ist es somit weniger risikoreich, einen bekannten Asset-Manager zu wählen, falls er sich später als Misserfolg entpuppen sollte.
Dieses Verhalten ist rational, aber nicht optimal. Die Destinatäre von Pensionskassen müssten Interesse daran haben, ihren Anlageausschüssen – und ihren Beratern – die Anreize so zu setzen, dass in der Wahl von Asset-Managern nicht primär das Peer-Group-Risiko minimiert, sondern mit entsprechender Sorgfalt nachhaltig Mehrwert geschaffen wird. Weder korreliert die Fähigkeit, Mehrwert zu schaffen, mit der Grösse oder der lokalen Bekanntheit des Instituts, noch haben Grosse systematisch bessere interne Prozesse.
Pensionskassen, ebenso andere institutionelle Investoren, sind verstärkt gefordert. Erstens sollte die aktive und kritische Wahrnehmung der Aktionärsrechte zweckmässig organisiert werden. Zweitens sollten sich die Verantwortlichen bei der Vergabe von Vermögensverwaltungsmandaten nicht durch bekannte Namen blenden lassen; das Minimieren des Peer-Group-Risikos darf nicht oberste Zielsetzung sein. Daher müssen den Verantwortlichen und den Beratern entsprechende Anreize gesetzt werden. Drittens müssen die Anlageprodukte vollständig verstanden und ihre teils wenig offensichtlichen Risiken erfasst werden. Insbesondere bei mehrstufig verschachtelten Kollektivanlagen wie Funds of Funds ist das bisweilen sehr schwierig.
Unabhängigkeit beachten
Werden Berater beigezogen, muss strikt auf ihre Unabhängigkeit von «Produkt-fabriken» geachtet werden. Transparente und wohldiversifizierte Direktanlagen sind eine ideale Voraussetzung für eine sorgfältige Bewirtschaftung im Sinne von Artikel 50 BVV2, weil jedes Mitglied eines Anlageausschusses sie versteht. Leider zeigt die Praxis einen Trend zur Verbreitung immer komplexerer Anlageprodukte, weil sie einen grösseren Mehrwert schaffen – für den Verkäufer.
THOMAS HAUSER
ist geschäftsführender Partner der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG.
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