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Heiliger Gral oder totes Holz?

Für das Anlagejahr 2015 gilt aus Schweizer Sicht: Ausser Spesen nix gewesen! Konkret heisst dies, dass Pensionskassen ihre Sollrendite von rund 3 Prozent kaum erreichen konnten. Wenn die Aktien in einem Jahr nichts abwerfen und die Obligationen nur noch zinslose Risiken bringen, scheint für etliche Anleger die Lösung klar: Neue Anlagen müssen her, die mehr Rendite bei weniger Risiko bringen!

Bei den traditionellen Anlagen blieben Aktien im Jahr 2015 mit 2.7 Prozent in der Schweiz und –1.6 Prozent im Ausland deutlich hinter dem historischen Potential von real 5 bis 6 Prozent zurück. Für die höhere Renditeerwartung der Aktien musste der Anleger schmerzhafte Wertschwankungen erdulden. Dies wird auch künftig so sein. Trotz des Kursanstiegs der letzten Jahre impliziert die aktuelle Bewertung eine attraktive Gewinnrendite der Aktien von nominal rund 5.5 Prozent. Im Kontrast dazu warfen Schweizer Anleihen zwar 1.8 Prozent ab, der Ausblick ist aber trüb: entweder weiterhin tiefe Renditen oder ein Zinsanstieg mit temporärem Wertverlust. Bei den Schweizer Immobilien, die immerhin rund 4.5 Prozent brachten, wird die Luft langsam dünn. Ein Anzeichen dafür sind die Agios der Fonds von 23 Prozent. Mit anderen Worten kostet ein Paket von Immobilien mittlerweile knapp ein Viertel mehr, als es effektiv enthält.

Nach einer Ebbe bei den Renditen beginnt bei vielen Anlegern jeweils die Suche nach dem heiligen Gral, der stets hohe Renditen liefern kann – selbstverständlich bei geringem Risiko. Nach der Dotcom-Krise in den Jahren 2001 bis 2003 stürzten sich Investoren auf Hedge Funds und Private Equity. Die Heilsversprechen bewahrheiteten sich jedoch nicht. Jüngst greifen viele Anlageverantwortliche nach Private Debt und vor allem Infrastrukturanlagen. Nicht nur ein geringeres Risiko soll diesen Anlagen angeblich eigen sein, sondern auch ein Diversifikationspotenzial im Portfoliokontext. Diese Risikoanalyse ist absurd, denn kaum schwankende Kurse sind nicht Zeichen eines stabilen, sondern eines inexistenten Markts. Jeder Gebrauchtwagenhändler weiss, dass dies das grösste aller möglichen Risiken ist.

Wie steht es um die Hoffnung nach hohen Renditen bei Investitionen in Brücken, Autobahnen, Leitungssysteme oder Flughäfen? Ein Blick auf Beispiele ist erhellend: Im Jahr 2008 wurde der private Flughafen Ciudad Real eröffnet, der rund 200 km südlich von Madrid liegt und den Flughafen dieser Stadt entlasten sollte. Dazu war die Anbindung mittels Hochgeschwindigkeitszug geplant. In den Flughafen wurden von privater Seite 450 Mio. Euro investiert. Bereits im Jahr 2011 wurde der Flughafen von der Insolvenz eingeholt und stillgelegt. Danach konnten chinesische Investoren das Objekt für symbolhafte 10 000 Euro ersteigern. Noch gefährlicher als die schönfärberische Darstellung des Marktpotenzials durch die öffentliche Hand ist für private Investoren die Preisfestsetzung. Dies musste eine Rückversicherungsgesellschaft leidvoll erfahren, die am französischen Autobahnbetreiber Vinci Autoroutes beteiligt ist. Anfang 2015 hat der sozialistische Premierminister überraschend mitgeteilt, dass die privaten Betreiber keine Gebührenerhöhungen vornehmen durften, obschon dies in den Verträgen vorgesehen war. Ein weiteres Mahnmal ist Gassled, ein von Norwegen kontrolliertes Gas-Pipeline-Netzwerk. Eine Grossbank hat über einen Fonds mehrere hundert Millionen Franken investiert. Doch die künftigen Renditen drohen auszubleiben, weil Norwegen die Gebühren für den Gas-Transport um 90 Prozent senken will.

Wenn es politisch opportun erscheint, werden Staaten respektive Politiker stets Investorenrechte mit Füssen treten – wohlgemerkt, die obigen Beispiele betreffen allesamt europäische Staaten. Die Hoffnung nach hohen Renditen bei der Flucht in illiquide und intransparente Anlagen, die darüber hinaus einem politischen Risiko ausgesetzt sind, bleibt unerfüllt. Nicht marktgängige Infrastrukturanlagen sind meist totes Holz. Wer Risiken ausblenden will, potenziert sie. Aus Risikoüberlegungen sollten auch bei tiefen Zinsen die Anlagen unspektakulär bleiben: liquide Aktien sowie Anleihen und Immobilien guter Qualität. Spektakuläre Entscheide sind künftig auf der Passivseite bei den Verpflichtungen erforderlich: Ein Beratungsunternehmen hat diesen Schritt gewagt und den Renten die Unantastbarkeit abgesprochen. Dadurch können Verluste vermieden werden, die entweder durch die nachkommenden Generationen getragen werden müssen oder zu einer waghalsigen Anlagepolitik verleiten.


20. Februar 2016


Autoren

THOMAS HAUSER
ist promovierter Ökonom und arbeitet als geschäftsführender Partner bei der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG.


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