Glück oder Können? Geduld!
Was geschehen kann, wenn man bei Obligationen auf Rendite fokussiert, zeigte sich im Jahr 2018 anhand teilweise schmerzlicher Verluste bei Schwellenlandanleihen, die sowohl durch Währungsturbulenzen als auch durch gestiegene Risikoaufschläge stark belastet wurden. Selbst mit zehnjährigen italienischen Staatsanleihen verlor man zwischenzeitlich über 10 Prozent. Wenn das allgemeine Zinsniveau in Europa und der Schweiz dereinst anziehen wird, werden die bestehenden Obligationenbestände zu Verlusten führen. Auch bei den Immobilien, die für viele Pensionskassen ein wichtiger Baustein im Portfolio sind, wird die Luft zunehmend dünner. Deshalb bleiben diversifizierte Aktienanlagen unverzichtbar, mit gegen 8 Prozent jährlicher Rendite sind sie über Jahre und Jahrzehnte betrachtet Spitzenreiter.
Soll trotzdem nach schlechten Anlagejahren das Risiko durch eine Reduktion des Aktienanteils gesenkt werden, wie dies nicht selten im Zuge abschmelzender Reserven (zum Selbstschutz) durch Berater gefordert wird? Aufgepasst, Sie ersetzen damit bloss das Schwankungs- durch ein Finanzierungsrisiko! Dass ein gewisser Risikozwang besteht, wird offenkundig, wenn Sie sich fragen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, über die nächsten zehn Jahre eine jährliche Zielrendite von 3 Prozent zu verfehlen. Mit Aktien liegt das Risiko bei 15 Prozent, bei einem ausgewogenen Portfolio bei rund 40 Prozent und bei Anleihen bei 100 Prozent. Unter diesem Aspekt ist ein reines Aktienportfolio sicherer als ein reines Obligationenportfolio. Selbstverständlich muss langfristig der Risikogehalt des Portfolios zur Risikofähigkeit passen. Ein kurzfristiger Aktivismus aufgrund einer nach einer Marktdelle geringeren Wertschwankungsreserve ist jedoch fehl am Platz. Das wäre, wie wenn man sich nach dem Winter wundern würde, dass die Streusalzreserve geringer ist als vor dem Winter.
Statt das Risikobudget zu reduzieren, könnte man doch das Portfolio und seine Risiken aktiver steuern – nach dem Prinzip, auf Anlagen oder Vermögensverwalter zu setzen, die überdurchschnittliche Renditen bei möglichst geringen Risiken bringen. Die treffsichere Auswahl solcher Stars ist leider nicht einfach.
Nehmen wir als Beispiel das «Orakel von Omaha», Warren Buffett. Der Aktienwert von Buffetts Berkshire Hathaway stieg seit Anfang 1988 auf das 111-fache, während der US-Aktienmarkt sich «nur» auf das 23-fache steigerte. Im Mittel erzielte also Buffett eine jährliche Überrendite von gegen 6 Prozent, was ausserordentlich viel ist. Ist dies Glück oder Können? Angesichts der massiven Outperformance über viele Jahre kann von ausserordentlichen Fähigkeiten ausgegangen werden. Dennoch kann der Statistik-Besessene einwenden, dass man Daten von etwas über hundert Jahren benötigen würde, um basierend auf den beobachteten Monatsrenditen ganz sicher zu sein (mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent), dass sich die gigantische Outperformance wirklich von 0 Prozent unterscheidet.
«Ein kurzfristiger Aktivismus aufgrund einer nach einer Marktdelle geringeren Wertschwankungsreserve ist jedoch fehl am Platz. Das wäre, wie wenn man sich nach dem Winter wundern würde, dass die Streusalzreserve geringer ist als vor dem Winter.»
Was lässt sich daraus lernen? Die statistisch abgesicherte Auswahl von Performance-Stars scheitert in der Praxis an der fehlenden Beobachtungszeit. Beurteilt man Vermögensverwalter anhand der Rendite über beispielsweise drei Jahre, besteht das Risiko der prozyklischen Auswahl: Möglicherweise ersetzt man einen Anbieter, der aufgrund des Anlagestils temporär unterdurchschnittlich war, genau dann, wenn wieder dessen Zeit kommen würde. Man selektiert dann einen Anbieter, der jüngst überdurchschnittlich war, aber möglicherweise eine schwächere Phase vor sich hat.
Daher ist es ratsam, nicht die Rendite als primäres Auswahlkriterium heranzuziehen. Viel eher sollte der Anlagestil respektive der Umgang mit Risiken wichtig sein: Nach welchen Kriterien trifft ein Vermögensverwalter seine Auswahl? Positioniert er sich als langfristiger Anleger oder als kurzfristiger Zocker? Kauft er Anlagen, die man auch privat halten würde? Hält er transparente Anlagen? Verzichtet er aktiv auf Risiken mit ruinösem Potenzial, auch wenn diese in einem Index enthalten sind? Mit dieser Betrachtungsweise benötigt man für die Auswahl nicht hundert Jahre an Daten. Dennoch braucht der Anlageerfolg Geduld, Gelassenheit und Disziplin.
Thomas Hauser
Dr. rer. pol., Partner Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG
- Aktive vs Passiv
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