Fehlanreize und dummes Geschwätz
Das Anlageumfeld ist herausfordernd und wird es noch lange bleiben. Ein Grossteil der am Markt verfügbaren Obligationen rentiert seit längerer Zeit negativ. Zwischenzeitlich lag die Verfallrendite von Anleihen der Schweizerischen Eidgenossenschaft bis zu einer Laufzeit von 20 Jahren im negativen Bereich. Gläubiger bezahlen Zinsen an ihre Schuldner – die Ökonomie des Geldes steht Kopf und hat sich finanzgeschichtlich beispiellos ins bizarre Gegenteil verkehrt. Die schleichende Enteignung der Sparer, auch als finanzielle Repression bezeichnet, ist eine Folge der seit der Finanzkrise anhaltenden, langfristig brandgefährlichen Flutung der Märkte mit Geld, die ausser den überschuldeten Staaten Europas kaum jemand braucht. Anstatt im Konsum oder zu Investitionszwecken landet es, salopp ausgedrückt, unter der Matratze.
Um einer Null- oder Negativverzinsung auszuweichen, suchen Investoren verzweifelt nach Alternativen, um positive Erträge erwirtschaften zu können. Aktien sind zwar langfristig die überragende Anlagekategorie, für viele Anleger aber kurzfristig zu volatil, um sie in ihren Portfolios deutlich höher zu gewichten. Der aktuelle Modeschlager von Pensionskassen und Versicherungen, die aufgrund hoher Leistungsversprechen auf jährliche Erträge von 2 bis 4 Prozent angewiesen sind, sind Infrastrukturanlagen. Dabei wird in private Projekte wie Flughäfen, Autobahnen, Leitungs- und Transportsysteme oder den Bau von Brücken investiert.
Das Ergebnis war ein Geisterflughafen
Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen nun aber, dass die Risiken solcher Anlagen massiv unterschätzt werden. So ging der privat finanzierte Flughafen Ciudad Real nahe der spanischen Hauptstadt Madrid schon kurz nach seiner Fertigstellung in Konkurs. Da kaum eine Fluggesellschaft diesen Flughafen anfliegen wollte, mutierte dieser zu einem sogenannten «Geisterflughafen» und zum Flop der privaten Investoren, die ihr ganzes Geld verloren. Auch Projekte rund um den französischen Autobahnbetreiber Vinci Autoroutes und ein Gas-Pipeline-Netzwerk in Norwegen entpuppten sich als Flop, weil ihre Regierungen plötzlich die Spielregeln änderten und überraschend ihren Einfluss auf die ursprünglich vorgesehenen Gebührensätze geltend machten.
Wenn Politiker europäischer Staaten Investorenrechte dermassen mit Füssen treten, wie hoch sind dann erst die Risiken solcher Projekte in den vermeintlich lukrativen und aufstrebenden Schwellenländern? Während die Chancen solcher Infrastrukturanlagen massiv überschätzt werden, werden die Risiken unterschätzt. Dies hält gewisse bonusgetriebene Banker natürlich nicht davon ab, mit ihren Hochglanzprospekten durch die Anlegerwelt zu ziehen, um ihren Kunden diese äusserst margenträchtigen Produkte zu verscherbeln. Nicht professionelle Beratung steht im Vordergrund, sondern der Verkauf von Produkten.
Dabei müssten die Anleger spätestens seit der Finanzkrise gewarnt sein, was intransparente und illiquide Produkte betrifft. Namen wie Madoff oder Lehman machten die Runde. Nach der Jahrtausendwende predigten unzählige Jünger das Lied der wundersamen Diversifikation. So würden Hedgefonds, Private Equity und strukturierte Produkte, sogenannte Strukis, die Diversifikation von Wertschriftenanlagen verbessern. Diese Anlagen würden nicht nur die Renditen eines Portfolios erhöhen, sondern, aufgrund der tiefen Korrelation zu den traditionellen Anlagen wie Aktien oder Obligationen, auch die Risiken reduzieren.
«Wie soll das Risiko von Private Equity oder Infrastrukturanlagen gemessen werden?»
In der Krise kollabieren viele Strukis
Beides ist weitgehend dummes Geschwätz. Wie soll denn das Risiko von Private Equity oder von Infrastrukturanlagen gemessen werden, wenn es gar keinen Markt und damit keinen Preis gibt? Das Volatilitätsmass, das auf liquide Aktien oder Obligationen sinnvoll Anwendung findet, macht bei illiquiden Anlagen überhaupt gibt Sinn. Kaum schwankende Kurse, die oft eigens vom Anbieter mittels eines geschätzten Inventarwerts bestimmt werden, sind nämlich nicht Ausfluss eines stabilen, sondern eines inexistenten Marktes. Oder will man ein Stück Land in den Rocky Mountains oder Unikate des Malers Renoir, die mit traditionellen Anlagen überhaupt nicht korreliert sind, allen Ernstes als risikoarm taxieren?
Wie hoch die Risiken von Hedgefonds, Private Equity oder von strukturierten Produkten wirklich sind, zeigt sich in Krisenzeiten. So sind diese kaum mehr verkäuflichen Produkte während der Finanzkrise auf breiter Front kollabiert und die Verluste übertrafen in vielen Fällen sogar diejenigen von Aktien.
Private wie institutionelle Anleger sind gut beraten, auf wundersame Versprechungen der Finanzindustrie im Kontext mit illiquiden und intransparenten Produkten skeptisch zu reagieren. Mit einem gewissen Zynismus kann man auch schliessen, dass diese margenträchtigen Anlagevehikel, die oft Laufzeiten von 15 bis 20 Jahren aufweisen, vor allem den Entscheidungsträgern von Versicherungen und Pensionskassen Vorteile bringen. Bis schliesslich feststeht, ob die Investition top oder flop war, wird deren Stuhl längst von ihrem Nachfolger oder Nachnachfolger besetzt sein. Die Verantwortung für ihre Entscheidung tragen dann andere.
Pirmin Hotz, Inhaber, Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen, Baar
PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.
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