Das Greenwashing ist nachhaltig
Meinungswirrwarr und Scheinheiligkeit prägen das Geschäft mit nachhaltigen Anlagen.
Es gibt wohl keinen ernsthaften Zweifel, dass nicht nur die Knappheit fossiler Brennstoffe, Klimaveränderungen und die Luftverschmutzung, sondern auch die ethisch-moralisch fragwürdige Geschäftspolitik einiger Unternehmen ein Umdenken erfordert. Alles andere wäre ein Betrug an den nachfolgenden Generationen. Es mag deshalb als eine erfreuliche Tatsache gewertet werden, dass der Anteil nachhaltiger Anlagen in den letzten Jahren regelrecht explodiert ist. Allerdings stellt sich die Frage: Hat dieses rasante Wachstum auch unser Klima nachhaltig verbessert? Leider ist die Antwort darauf ein klares Nein. In weiten Teilen der Welt wächst der CO2-Ausstoss entgegen allen Zielverkündigungen weiter an. Das ist bedauerlich und es stellt sich eine Folgefrage: Warum gibt es diese eklatante Diskrepanz zwischen den Anstrengungen der Finanzbranche, nachhaltiges Investieren zu fördern, und der realen Klimapolitik?
Um ihre Ziele zu erreichen, müssten Nachhaltigkeitsfonds den investierten Unternehmen ausschliesslich Kapital zur Verfügung stellen, das zusätzlich grün angelegt wird. Das ist aber nicht der Fall. Stattdessen wird in ein grünes Unternehmen investiert, das vorher schon grün war – nun einfach mit einem neuen Aktionär. Umgekehrt landet auch ein «Sünden-Unternehmen», das verkauft wird, bei einem anderen Eigentümer und verpestet weiterhin die Luft. Das ist ein Etikettenschwindel respektive Greenwashing und bringt definitiv keine Klimaverbesserung.
Widersprüchliche Ratingagenturen
Darüber hinaus besteht ein grosser Wirrwarr darüber, was überhaupt nachhaltige Anlagen sind. Dies wird spätestens klar, wenn man die Einschätzungen weltweit führender Ratingagenturen wie MSCI, Standard & Poor’s (S&P) oder Sustainalytics miteinander vergleicht. So kommen die renommierten englischen Professoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Michael Staunton in ihrer Studie zum ernüchternden Befund, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den ESG-Ratings verschiedener Anbieter gibt. Weil die Ratingagenturen unterschiedliche Prioritäten bei der Beurteilung der drei Nachhaltigkeitskriterien Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung haben, kommen sie auch zu völlig unterschiedlichen Schlüssen, welche Unternehmen als nachhaltig gelten und welche nicht. Während beispielsweise der Pharmakonzern Roche, der Nahrungsmittelmulti Nestlé und die Grossbank UBS bei S&P als sehr nachhaltig qualifiziert werden, schneiden diese Unternehmen bei Sustainalytics schlecht ab. Bei Licht betrachtet überraschen diese Ergebnisse nicht. Wo soll bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung der Akzent gesetzt werden? Auf der Reduktion des CO2-Ausstosses? Auf der Frage, ob ein Unternehmen in Geldwäscherei- oder Korruptionsfälle verwickelt ist? Oder vielmehr darauf, ob im Sinne der Diversität eine angemessene Frauenquote erreicht ist? Kein Wunder, dass es fast beliebig viele Interpretationsmöglichkeiten und Widersprüche gibt, die am Ende auch die Anlegerinnen und Anleger überfordern.
Fonds zur Gewissensberuhigung
Eine Studie der EU-Kommission hat ergeben, dass von 101 selbstdeklarierten «grünen» Fonds gerade einmal drei das Ecolabel bekommen würden, wenn das strenge EU-Label angewendet würde. Falko Paetzold, Institutsleiter an der Universität Zürich und Co-Autor einer weltweit beachteten Studie, die untersucht hat, ob nachhaltige Anlagen die Welt effektiv besser machen, kommt zu einem ernüchternden Befund: «Die Produkte geben den Käufern ein gutes Gefühl und beruhigen ihr Gewissen. Doch ein grosser Teil schafft es nicht, eine messbare Veränderung herbeizuführen.» Vielleicht lässt sich aber mit besserem Gewissen nach Bangkok oder New York fliegen, wenn die Flüge aus den Ausschüttungen eines sündhaft teuren Nachhaltigkeitsfonds bezahlt werden. Oft nützt es auch nichts, wenn sich Unternehmen dem Druck der Investoren beugen und ihre Dreckschleuder-Beteiligungen verkaufen. Sie landen dann nicht selten bei einem anderen Unternehmen, welches im Gegensatz zu einer BP, Exxon oder Royal Dutch Shell nicht börsennotiert ist und somit weniger strengen Transparenzvorschriften ausgesetzt ist als diese. Die Klimabilanz kann sich dadurch sogar verschlechtern.
Wenn Banken und ihre Marketingabteilungen medienwirksam verkünden, sie würden nun quasi auf Knopfdruck ihre gesamten Anlagen auf Nachhaltigkeit umstellen, grenzt das an Heuchelei. Oft wird der Kundschaft alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Im Kontext einer explosionsartigen Greta-Hysterie so zu tun, als ob die Welt schlagartig eine bessere sein würde, nur weil wir oder irgendeine Ratingagentur all unseren Anlagen das Label «nachhaltig» verpasst, ist scheinheilig und am Ende eine Irreführung der Investoren. Teure Nachhaltigkeitsfonds, die von der Finanzbranche mit Hochdruck vermarktet werden, sind zum lukrativen Mode-Hype geworden.
«Teure Nachhaltigkeitsfonds, mit Hochdruck vermarktet, sind lukrativer Mode-Hype.»
Politiker und Konsumenten gefordert
In der realen Welt kann es gar nicht so schnell vorwärtsgehen, wie es die Finanzbranche vorgaukelt. Die Politik, der technologische Wandel und am Ende wir Konsumentinnen und Konsumenten selbst müssen ein Umdenken und ein nachhaltiges Handeln fördern respektive umsetzen. In der Klimapolitik wird das am effizientesten in Form einer CO2-Steuer über den Preis herbeigeführt. Es kann schliesslich nicht sein, dass ein Flug von Zürich nach Hamburg und zurück heute einen Zehntel dessen kostet, was vor dreissig Jahren bezahlt wurde. Wer die Luft verpestet, soll dies mit höheren Kerosin- und Benzinpreisen verursachergerecht bezahlen. Allein aufgrund einer veränderten Anlagepolitik von Banken und Vermögensverwaltern werden die Konsumenten ihr Verhalten kaum ändern. Wird das Ziel einer nachhaltigen Politik jedoch über den Preis gesteuert, werden nicht nachhaltige Unternehmen automatisch aus dem Markt ausscheiden und deren Aktien verschwinden auch aus den Portfolios der Anleger. Die gegenwärtige Nachhaltigkeitspolitik scheint ein altes Bonmot zu bestätigen: «Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.»
Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar.
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