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Pensionskassen vergeben Renditepotenzial

Vorsorgeeinrichtungen disponieren zu kurzfristig. Voraussetzungen für höhere Aktienanteile ist jedoch, dass Anlagerestriktionen gelockert und die Kapitalgarantie für die Destinatäre abgeschafft werden.

Mit ihrem sehr langen Anlagehorizont sind Pensionskassen geradezu prädestiniert, den überwiegenden Teil des Vermögens in Aktien – der langfristig lukrativsten Anlageform – zu investieren. Die Verantwortlichen von schweizerischen Vorsorgegeldern verschenken aber hohes Renditepotenzial, weil sie mit einem durchschnittlichen Aktienanteil von rund 30% viel zu defensiv positioniert sind und fälschlicherweise glauben, ein solches Portfolio sei langfristig konservativer als eines mit 50 oder sogar 80% Aktien.

Ein repräsentatives schweizerisches Pensionskassenportfolio ist zu 55% in Obligationen, zu 30% in Aktien und zu 15% in Immobilien angelegt. Ausgehend vom heutigen Umfeld kaum existierender Zinsen wird eine Renditeerwartung von 1% bei Anleihen, von 3% bei Immobilien und von 5% bei Aktien unterstellt – die Differenzen entsprechen den langfristig realisierten Risikoprämien. Das Portfolio lässt sodann eine jährliche Rendite von 2,5% erwarten – notabene vor Verwaltungskosten.

Eine Erhöhung des Aktienanteils zulasten der Obligationen auf 40% lässt bereits eine Rendite von 2,9% erwarten. Bei einem Aktienanteil von 50% beträgt die Rendite 3,3%, während sie bei einem Aktienanteil von 80% auf 4,5% springt – fast das Doppelte des Status quo. Es liegt auf der Hand, dass diese Performancedifferenz zu erheblich verbesserten Rentenleistungen für die Versicherten führen würde.

Falsche Risikobetrachtung

Warum verzichten die Verantwortlichen von Pensionskassen auf diese signifikante Mehrrendite am Kapitalmarkt? In erster Linie liegt es an einer völlig verkehrten Risikobetrachtung der Branche, die höhere und langfristig sinnvollere Aktienanteile verhindert. Sie misst das Risiko von Vorsorgegeldern regelmässig mit der Volatilität, die die Kursschwankungsbreite respektive die Standardabweichung der jährlichen Rendite des Portfolios definiert. Ist dieses auf Jahresbasis berechnete Risikomass aber auch wirklich relevant für Pensionskassen?

« Zweckmässig, um das langfristige Risiko von Pensionskassengeldern zu ermitteln, ist das Ausfallsrisiko.»

Nein, natürlich nicht. Für eine Pensionskasse, die über einen faktisch unendlich langen Anlagehorizont verfügt, haben die kurzfristigen und teilweise hektischen Börsenbewegungen langfristig keine Bedeutung. Rückschläge wie diejenigen während der Finanzkrise oder nach dem Platzen der New Economy Bubble zu Beginn des neuen Jahrtausends gab es schon immer. Trotz eines Weltkriegs, zahlreicher Verwerfungen und oft sehr volatiler Märkte warf der schweizerische Aktienmarkt seit dem Jahr 1926 eine jährliche Durchschnittsrendite von 7,7% ab. Dem langfristig erfolgreichen Aktiensparer ist es dann ziemlich egal, dass in derselben Zeit die jährliche Volatilität von Aktien beachtliche 20% betragen hat.

Im Gegenteil: Der Preis für die langfristig überragende Rendite von Aktien sind deren kurzfristig hohe Schwankungen. Der Fokus auf die kurzfristig ausgerichtete Volatilität hat überdies die fatale Konsequenz, dass sich Pensionskassen an den kurzfristigen Veränderungen des Deckungsgrads orientieren und sodann prozyklisch in Börsenkrisen die Aktienquote zur Unzeit abbauen. Vollends absurd wird die Risikomessung mithilfe der Volatilität, wenn Consultants ihren Pensionskassen empfehlen, zur verbesserten Diversifikation alternative Anlagen wie Hedge Funds, Private Equity oder Infrastrukturanlagen ins Portfolio zu legen. Die Verantwortlichen bilden sich dann ein, sie würden mit diesen «Zauberprodukten» das Risiko reduzieren, weil diese eine niedrige Volatilität aufweisen und über eine geringe Korrelation zu klassischen Anlagen wie Obligationen und Aktien verfügen würden.

Illiquide ist nicht sicherer

Was für ein Unsinn! Die nur vermeintlich niedrigen Risikowerte vieler Alternativanlagen sind nämlich nichts anderes als die Konsequenz der Illiquidität dieser Produkte, die naturgemäss keinen täglichen Marktschwankungen ausgesetzt sind. Was mangels Börsenkurs nicht schwankt, kann definitionsgemäss nicht volatil sein.

Ein zweckmässiges Mass, um das langfristige Risiko von Pensionskassengeldern zu ermitteln, ist das Ausfallrisiko. Es misst die Wahrscheinlichkeit, innerhalb einer bestimmten Frist eine geforderte Mindestrendite zu verfehlen. Diese Masszahl müsste Pensionskassenverantwortliche besonders interessieren, denn die jährliche Minimalrendite, um die Leistungen für die Destinatäre langfristig erfüllen zu können, ist für sie von hoher Relevanz. Aktuell dürfte wohl eine durchschnittliche Mindestrendite von 2 bis 3% gefordert sein, um die langfristigen Leistungsverpflichtungen erfüllen zu können.

Die entscheidende Frage lautet nun: Bei welchem Aktienanteil ist die Wahrscheinlichkeit am grössten, die geforderte Minimalrendite langfristig und nachhaltig erreichen respektive übertreffen zu können? Beläuft sich die geforderte Mindestrendite auf 2%, so beträgt auf Sicht von zehn Jahren die Chance, diese Rendite mit einem Aktienanteil von 30% zu erreichen oder zu übertreffen, 62%. Das Ausfallrisiko ist damit allerdings mit 38% deutlich höher als bei einem Portfolio, das zu 80% in Aktien angelegt ist – bei diesem beträgt das Ausfallrisiko, die jährliche Minimalrendite von 2% zu verfehlen, nur gerade 24%, obwohl es wesentlich volatiler ist.

Bereits mit einer «nur» zehnjährigen Optik ist somit das fast ausschliesslich in Aktien angelegte Portfolio sicherer als ein vermeintlich konservatives Portfolio mit 30% Aktien. Eindrücklich gestaltet sich die Risikobeurteilung, wenn die geforderte Mindestrendite 3% beträgt und der Anlagehorizont auf fünfzig Jahre ausgedehnt wird. Das Risiko, eine Rendite von jährlich 3% zu verfehlen, beträgt dann beim vermeintlich konservativen Portfolio 98% und beim vermeintlich aggressiven Portfolio gerade einmal 3%.

«Auf lange Sicht sind nicht etwa niedrige Aktienanteile konservativ, sondern möglichst hohe.»

Das Fazit ist klar. Auf lange Sicht, die für Pensionskassen von prosperierenden Unternehmen eigentlich der Normalfall sein sollte, sind nicht etwa niedrige Aktienanteile konservativ, sondern möglichst hohe. Voraussetzung für deutlich höhere Aktienanteile ist jedoch, dass die gesetzlichen Anlagerestriktionen gelockert und die Kapitalgarantien für die Destinatäre abgeschafft werden.


8. Juli 2017

Autoren

PIRMIN HOTZ
Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar.


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