«Aktien haben eine Gewinnrendite von jährlich rund sechs Prozent»
NZZ am Sonntag: 2016 war schwierig für Schweizer Anleger. Was haben Kunden in einem Portfolio mit 50% Aktienanteil netto verdient?
Pirmin Hotz: Im Durchschnitt haben unsere Schweizer Kunden mit gemischten Portfolios 7,8% verdient.
Albin Kistler: Unsere Franken-Referenzdepots rentierten netto rund 4%, Euro-Depots rund 6%. 2016 war ein Jahr, in welchem aktive, sich auf Research stützende Anleger passive Depots massiv übertrafen.
Woher diese überraschend positiven Renditen, hatten Sie doch beide nicht mit einem schwachen Schweizer Aktienmarkt gerechnet?
Kistler: Die meisten Schweizer Aktien tendierten 2016 freundlich. Es waren lediglich die drei Schwergewichte Roche, Novartis und Nestlé, welche die vielbeachteten Indizes SMI und SPI nach unten zogen.
Hotz: Unsere aktiven Anlageentscheidungen sind aufgegangen. Erstens hat sich die antizyklische Hartnäckigkeit ausbezahlt, Öl- und Rohstoffaktien zu halten. Zweitens haben wir vom deutlichen Untergewicht in Finanztiteln profitiert. Drittens haben wir die enttäuschenden Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche im Vergleich zu den Indizes deutlich untergewichtet. Schliesslich haben wir nach dem miserablen Jahresauftakt Aktien aufgestockt.
Sie beide investieren antizyklisch. Stehen jetzt Novartis, Roche, UBS und Credit Suisse auf der Kaufliste?
Hotz: Bei Novartis und Roche haben wir nach den Kursrückschlägen in der Tat antizyklisch aufgestockt. Bei den Grossbankaktien halten wir uns aber zurück. Diese werden weiterhin von toxischen Altlasten in Milliardenhöhe, unzähligen Prozessen, überhöhten Salärstrukturen und viel zu tiefen Eigenmitteln belastet. Die Grossbanken eignen nicht für eine seriöse Langfristanlage.
Kistler: Bei überzogenen Bewertungen oder erhöhten Risiken verzichten wir auf Investitionen. Kursrückschläge allein sind kein Kaufargument. Wir halten Positionen in Novartis und Roche, allerdings deutlich untergewichtet. Wir haben auch UBS in den Depots. Bei dieser Grossbank sind wir anderer Meinung als Pirmin Hotz.
Sie beide investieren in kleine und mittelgrosse global tätige Firmen. Geht der Boom weiter?
Kistler: Es gibt weltweit keine Anlage-kategorie, welche währungsbereinigt in den letzten 40 Jahren auch nur annähernd eine solch hervorragende Rendite erzielt hat wie Schweizer Small- und Mid-Caps. Kein anderes Land verfügt über diese Dichte an erstklassigen, führenden und global aufgestellten Firmen. Wir sehen keinen Grund dafür, dass sich in den nächsten 20 Jahren etwas an der Überlegenheit von Schweizer Small und Mid-Caps ändert. Deren Unternehmensgewinnrendite beträgt attraktive 6%.
Hotz: Wir setzen weiterhin auf ausgewählte, qualitativ erstklassige Schweizer Mid- und Small-Caps. Diese gewährleisten uns im Schweizer Aktienmarkt, welcher ein Klumpenrisiko in den Werten Nestlé, Novartis und Roche aufweist, eine ausgezeichnete Risikostreuung. Allerdings glauben wir, dass nach den starken Avancen der kleineren Unternehmen deren Bewertungsabschlag zu den Schwergewichten eliminiert ist.
Wird der positive Trump-Effekt anhalten und 2017 weltweit die Aktienmärkte beflügeln?
Hotz: Dieser Effekt ist nach der ersten Euphorie bereits in den derzeitigen Kursen eskomptiert und dürfte bald verpuffen. Die erfreuliche Konjunkturentwicklung gerade in Amerika ist aber auf jeden Fall eine gute Basis für weiteres Kurspotenzial. Kurzfristige Prognosen bringen jedoch meistens nichts.
Kistler: Es wurden bereits viele Vorschusslorbeeren verteilt, und die reformbedürftige EU steht vor schwierigen Entscheidungen. Obwohl der gegenwärtige globale Wirtschaftszyklus bereits im neunten Jahr steht, ist er noch keineswegs überspannt. Die wirtschaftsfreundliche Agenda der Regierung Trump wird den Aufwärtstrend unterstützen. 2017 werden die Firmengewinne in den USA und in Europa um mindestens 5 bis 10% anziehen. Wir erwarten Kursanstiege in ähnlichem Rahmen. Auf kurze Sicht ist allerdings mit Volatilität zu rechnen.
Werden Sie also 2017 mehr Aktien halten?
Kistler: Unsere Kundendepots profitierten bereits in den Vorjahren von unserer Aktienübergewichtung. Wir behalten diese bei, werden aber selektiv auch Gewinne mitnehmen. Es gibt langfristig keine rentablere und sicherere Anlage, als die Aktien der hervorragendsten Unternehmen dieser Welt. In einem ausgewogenen Depot halten wir 55% Aktien.
Hotz: Zu einer Aktienquote über dem Zielwert sehen wir keine Alternative. In gemischten Wertschriftenportfolios halten wir deshalb bis zu 60% in Aktien. Dividendenpapiere sind zwar im historischen Kontext nicht mehr billig, aber im Vergleich zu überteuerten Festzinsanlagen und Immobilien immer noch attraktiv. Es gibt schlicht keine andere Anlage, die nur schon annähernd eine reale Gewinnrendite von jährlich rund 6% abwirft, wie das Aktien von erstklassigen Unternehmen tun. Allein die durchschnittliche Dividendenrendite von gegen 3% bereitet Aktionären viel Freude.
Was bedeutet der Anstieg der Zinsen und der Inflation für Ihre Strategie?
Hotz: Aufgrund unserer kurzen durchschnittlichen Laufzeit bei den Anleihen sind wir für einen weiteren Anstieg der Zinsen gewappnet. Im Zuge einer Normalisierung der Zinsen werden wir unsere Laufzeiten sukzessive verlängern. Da eine anziehende Inflation und steigende Zinsen hochverschuldete Staaten und Unternehmen in Bedrängnis bringen werden, machen wir weiterhin keinerlei Qualitätskompromisse. Darüber hinaus könnten moderat steigende Zinsen sogar positive Signale für Aktien aussenden, da sie mit einer verbesserten Konjunktur und Unternehmensgewinn-Steigerungen einhergehen. Aktien blieben der beste Inflationsschutz für Anleger.
Kistler: Zinsen und Teuerung befinden sich nach wie vor auf historisch sehr tiefen Niveaus. Wir stufen das Risiko signifikant steigender Zinsen als gering ein. Es ist die Globalisierung, die unglaublich eng vernetzte und informierte Welt, welche seit Jahren neue Spielregeln setzt. Überkapazitäten, Alterung der Gesellschaft, globaler Wettbewerb, IT-Revolution, angebotsseitige Deflation, diese Faktoren werden eine Rückkehr der Inflationsraten auf frühere Niveaus nicht zulassen. Wichtiger Ausnahmefall ist die EU. Die exzessiven Geld- und Schuldenfluten sowie die berufliche Perspektivlosigkeit der Jugend in den EU-Südländern widerspiegelt den massiven Reform- und Inflationsstau. In unseren Frankendepots halten wir keine Euro-Anleihen.
«Eine anziehende Inflation und steigende Zinsen werden hoch verschuldete Staaten und Unternehmen in Bedrängnis bringen.»
«In den nächsten 20 Jahren wird sich an der Überlegenheit von Schweizer Small- und Mid-Caps nichts ändern.»
Halten Sie andere Fremdwährungsanleihen, zum Beispiel amerikanische und britische?
Kistler: Fremdwährungsanleihen sind nur sinnvoll, wenn Kaufkraftparität, Inflations-ausblick sowie Zinsvorteile attraktiv gegenüber dem Franken sind. Unter diesen Gesichtspunkten halten wir gegenwärtig Dollar- und Pfund-Firmenanleihen.
Hotz: Strategisch und damit auf lange Sicht bringen Fremdwährungsanleihen keine Mehrrendite, aber kurzfristig zusätzliche Schwankungsrisiken. Als konsequent antizyklisch agierende Investoren halten wir jedoch taktisch in begrenztem Mass Anleihen solider Fremdwährungen, wenn deren Kurs weit unter dem fairen Wert beziehungsweise der Kaufkraftparität liegt. So halten wir Anleihen in norwegischen Kronen und in britischen Pfund.
Viele Anleger kaufen nachrangige, hochverzinsliche und extrem lang laufende Anleihen, um die Rendite zu steigern. Sie auch?
Hotz: Nein, solche Anlagen mit teilweise aktienähnlichen Risiken lehnen wir ab. Wir haben solche Anleihen auch früher nicht gekauft, als die Zinsen bei 4% oder 7% lagen. Warum sollten wir das im jetzigen Umfeld tun? Heute sind zwar die Zinsen und auch die Inflation unterirdisch tief, aber real ist die Situation ähnlich wie damals. Lieber halten wir einen höheren Aktienanteil, als dass wir bei den Festzinsanlagen mit zweifelhaften Schuldnern spekulieren.
Kistler: Bei Qualität und Sicherheit gehen wir keine Kompromisse ein. Wir halten vorzugsweise solide Unternehmensanleihen und erzielen so eine durchschnittliche Realrendite von rund einem Prozent.
PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.
ALBIN KISTLER
ist Chefstratege und Gründungspartner der Albin Kistler AG in Zürich. Der Vermögensverwalter betreut private wie institutionelle Kunden und beschäftigt 27 Leute. Der Zufluss an Neugeldern ist«sehr positiv».
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