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Ist die Jagd nach absoluter Rendite eine Illusion?

Hedge funds sind wenig reguliert – Performance schwierig zu messen – Mangelnde Transparenz

Die Hausseperiode der Neunzigerjahre war gekennzeichnet durch ein Benchmark-orientiertes Renditedenken. Wenn auch die Mehrheit der aktiven Portfoliomanager die Ziele nicht übertreffen konnte, hat sich diese Politik im Grossen und Ganzen doch bewährt. Im Zuge des Börsenkollapses der Jahre 2001 bis 2003 ist das Benchmark-Denken allerdings unter Druck geraten. Tröstet einen Investor eine im Verhältnis bessere, aber negative Performance von beispielsweise minus 25%, wenn der Vergleichsmassstab in derselben Zeit 30% eingebüsst hat?

Vor diesem Hintergrund ist der Aufschrei der Investoren und der Finanzgemeinde zu verstehen, die nun den legitimen Wunsch äussern, möglichst eine konstante absolute Rendite von jährlich beispielsweise 8 bis 10% zu erhalten. Im selben Atemzug ist auch das Gedankengut der mit einem Nobelpreis gekrönten Portfoliotheorie torpediert worden. Auch eine noch so sorgfältige Diversifikation der Anlagen hat im Verlauf des Börsendesasters keinen Schutz vor grossen Verlusten geboten. Das Ziel der Vermeidung von absoluten Verlusten erscheint damit einleuchtend und banal zugleich – aber was ist von diesen Ideen mit der gebotenen kritischen Betrachtung zu halten?

Grosse Freiheiten
Im Zusammenhang mit dem Wunsch nach absoluter Rendite haben Hedge funds eine grosse Popularität erlangt. Im Unterschied zu herkömmlichen Anlagefonds geniessen sie eine fast unbegrenzte Freiheit im Einsatz risikoreicher Finanzinstrumente. Fremdfinanzierter Leverage der Anlagen und Leerverkäufe der zumeist in Offshore-Zentren wie den Cayman Islands registrierten Anlagevehikel sind möglich, denn eine Regulierung respektive gesetzliche Überwachung existiert bisher nicht. Befürworter von Modellen der absoluten Rendite argumentieren, dass gerade diese Flexibilität die Grundlage für ein erfolgreiches Management sei.

In der Beurteilung der Hedge funds sind wichtige Aspekte mit grosser Skepsis zu betrachten. So ist bereits der Name irreführend. Hedge funds haben allein wegen ihres Risikoprofils alles andere als mit Absicherung zu tun. Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis ein findiger Anwalt in dieser Hinsicht mit Haftungsansprüchen aktiv wird. Auch wird die Performance von Hedge funds systematisch überschätzt. Verschiedene Studien haben auf den so genannten Survivorship bias aufmerksam gemacht. Rund 15 bis 25% aller Hedge funds verschwinden (aus Gründen der Erfolglosigkeit?) jährlich vom Markt. Weil sie in den Statistiken oft nicht mehr aufgeführt sind, verzerren sie die historische Rendite massiv nach oben. Professor Rolf Banz, Vice Chairman von Pictet Asset Management, errechnet den Einfluss dieser «Verzerrung» respektive dieser hohen Sterberate auf jährlich 3 bis 6%. Mit anderen Worten: Die effektiv von den Anbietern erzielte Rendite wird auf Jahresbasis um rund 3 bis 6% zu hoch ermittelt. Die ausgewiesenen oder zu erwartenden Performancezahlen und ihre Quellen werden oft nicht hinterfragt. Recherchen ergeben regelmässig, dass die Angaben nicht stimmen oder ungenau sind. Erschütternd ist in diesem Zusammenhang die Studie von Professor François Serge Lhabitant von der Universität Lausanne, die aufzeigt, dass verschiedene Hedge-fund-Indizes für dieselben Marktsegmente und Zeiträume völlig unterschiedliche Performancedaten ausweisen. Dabei gibt es für die Periode eines einzelnen Monats Unterschiede, die bis zu zwanzig Prozentpunkte betragen können.

Was kann man da noch glauben? Offensichtlich sind die entsprechenden Statistiken je nach Bedürfnis fast beliebig dehnbar. Hedge funds werden nach individuellem Gutdünken und oft willkürlich in einen Index aufgenommen (Self-selection bias). Rund ein Drittel der Anbieter liefert zudem derart miserable Daten, dass sie für eine Analyse nicht zu gebrauchen sind. An Stelle von realen Angaben werden oft Daten eines hypothetischen Back testing in die Hochglanzprospekte der Anbieter eingefüttert. Im Zusammenhang mit der ausgewiesenen Rendite von Hedge funds werden auch die Volatilitäten und die Korrelation zu den traditionellen Anlagen systematisch unterschätzt. Bindungsfristen von teilweise mehreren Jahren sorgen überdies dafür, dass die Volatilität dieser Anlagevehikel künstlich tief gehalten wird. Auch haben sie die Tendenz, ausgerechnet in Krisenzeiten wie 1994, 1998 und 2002 zu versagen. Das Jahr 2004 wird sich, darauf deutet einiges hin, wohl ebenfalls ernüchternd entwickeln.

Auch die Transparenz von Hedge funds ist problematisch. Es ist für die Endkunden fast ein Ding der Unmöglichkeit zu wissen, was in den Fonds überhaupt enthalten ist. Die Investoren müssen dem Geschick der Manager mit ihren unterschiedlichen Anlagestilen blind vertrauen. Dieser Tatbestand erstaunt, haben wir doch gerade in den letzten Jahren in der Unternehmenswelt gelernt, wie wichtig Transparenz ist respektive wie schädlich sich ein Mangel daran auswirkt. Das und unsaubere Geschäftspraktiken einzelner Marktteilnehmer haben jüngst die amerikanische SEC und Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer veranlasst, eine intensivere Überwachung der Hedge funds in die Wege zu leiten.

Gefahr für das Finanzsystem
Anleger, deren Nerven in Krisenzeiten durch das Eingehen von transparenten Risiken mit Aktien strapaziert wurden, sollten sich an intransparente Risiken nicht heranwagen. Auch die mangelhafte Liquidität vieler Hedge funds ist nicht unproblematisch. Solange das Wachstum respektive der Neugeldzufluss anhält, ist das weniger von Bedeutung. Analog zu den Neuen Märkten könnte es aber dann zur Zerreissprobe kommen, wenn einmal substanzielle Gelder abgezogen werden.

Die Bank of England befürchtet in einem neuen Bericht gar, dass ein Ausverkauf im Segment der Hedge funds, hervorgerufen durch enttäuschte Hoffnungen der Anleger, einen destabilisierenden Einfluss auf das Finanzsystem haben könnte. Wegen des Kurzzeitgedächtnisses vieler Investoren ist auch das Debakel rund um LTCM 1998 schon fast in Vergessenheit geraten. Eine unvorsichtige Einschätzung der Kreditrisiken von Junk bonds könnte wiederum zum Systemrisiko werden. Auch sei auf die teilweise horrenden Gebühren von Hedge funds aufmerksam gemacht. Experten schätzen sie bei vollständiger Erfassung auf jährlich bis zu 6%. Es stimmt skeptisch, dass schliesslich noch eine attraktive Nettorendite für den Endkunden übrig bleiben soll.

Unglaublich mutet auch die Tatsache an, dass einzelne Funds selbst dann eine Performancebeteiligung in Rechnung stellen, wenn der Fund of funds als Ganzes eine negative Performance ausweist. Langjährige Haltefristen und exorbitant hohe Rücknahmegebühren von gegen 4% sorgen überdies dafür, dass der Anleger gar nicht oder nur mit hohen Kosten aussteigen kann. Und dies, nachdem er beim Einstieg schon mit einem hohen Ausgabeaufschlag beglückt worden ist.

Stop-loss-Risiken
Im Zusammenhang mit der Jagd nach absoluter Rendite wird auch der zwischenzeitlich verstaubte Begriff Stop loss aktualisiert. Zumindest im Nachhinein leuchtet ein, dass man irgendwann während der dreijährigen Baisse die Notbremse durch den Verkauf hätte ziehen sollen. Jedermann, der den Verlust schon mit Stop-loss-Aufträgen zu begrenzen suchte, kennt aber auch die Tücken. Was passiert, wenn er einmal ausgelöst worden ist? Wann wird wieder eingestiegen? Wie gross muss der Kursrückgang sein, bis der Stop loss ausgelöst wird?

Anleger, die im ersten Quartal 2003 «ausgestoppt» worden sind und dann die Erholung der Märkte verpasst haben, können ein Lied von Opportunitätsverlusten singen. Dazu gehören beispielsweise Versicherungen und gewisse Pensionskassen. Die fragwürdige gesetzliche Festlegung einer absoluten Minimalrendite hat, notabene im Sinne eines Stop loss, eine selbstzerstörerische Eigendynamik eingeleitet. An den Rand des Konkurses gedrängte Versicherer und einige Vorsorgeinstitutionen sind an der Verpflichtung, eine absolute Rendite zu erwirtschaften, gescheitert. Ein gesetzlich festgelegter Mindestzins, der fast zwangsläufig zu einer extrem prozyklischen Anlagepolitik führt, gehört deshalb nicht nur reduziert, sondern abgeschafft!

Es wäre falsch, das puristische Streben nach einer Benchmark-orientierten Anlagestrategie zu glorifizieren. Talentierte Portfoliomanager sollen in der Lage sein, durch aktive Entscheidungen überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen. Die dramatischen Fehlprognosen von Analytikern und Anlageprofis in den letzten Jahren haben aber gezeigt, wie schwierig es ist, mit Vorhersagen richtig zu liegen. Wenn sich dabei erwiesen hat, dass nur schon das Erreichen oder Übertreffen eines Benchmark für die meisten aktiven Fondsmanager eine Illusion ist, so stellt sich die Frage, wie die Hedge-fund-Industrie auf Dauer in der Lage sein soll, eine noch viel höhere Hürde zu überspringen.

So ist es wohl keine Frage, dass eine unabhängig von der Finanzmarktentwicklung attraktive absolute Rendite zu erreichen noch erheblich schwieriger ist als das Übertreffen eines marktgerechten Benchmarks. Zumindest wird nur ein kleiner Teil der Hedge-fund-Manager im Stande sein, ihre Versprechen einzulösen. Seit der Endphase der Baisse im Frühjahr 2003 haben sich zahlreiche Hedge funds schlecht entwickelt. Der bescheidene Erfolgsausweis dürfte die Investoren desillusionieren.

Die Märkte sind im Zuge der Globalisierung und der schnellen Informationsverarbeitung im Verlaufe der Jahre und Jahrzehnte noch effizienter geworden. Das trifft primär auf die für uns relevanten, liquiden Anlagen zu. Weil damit Prognosen äusserst unsicher sind, spricht nach wie vor nichts gegen eine sinnvolle Diversifikation der Anlagen. Diese Einsicht haben auch gescheiterte Finanzgenies gewonnen. Damit ist klar, dass auch die Portfoliotheorie mehr denn je Gültigkeit hat.

Eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie darf nicht wegen eines Mega-Ereignisses, wie es das vergangene Börsendebakel darstellt, oder wegen eigener Versäumnisse über den Haufen geworfen werden. Der langfristige Mehrwert eines Portfolios basiert primär auf dem Erfolg respektive der Produktivität von marktwirtschaftlich orientierten Unternehmen. Das hat mit dem Hokuspokus einiger eigennütziger Finanzdienstleister jedoch nichts zu tun. Die Finanzindustrie ist nie müde geworden, in prozyklischer Weise neue Modegags zu entwickeln, die früher oder später an Bedeutung verlieren.

Sich nichts vormachen
Wenn diese neuen Instrumente mit dem wunderbaren Ziel der möglichst risikoarmen, absoluten Geldvermehrung etwas taugen würden, warum wurden sie dann nicht schon in früheren Jahren auf breiter Front vermarktet? Noch kaum jemals haben Produktinnovationen von Banken länger als ein paar Jahre die breite Aufmerksamkeit der Anleger auf sich gezogen. Es würde nicht überraschen, wenn die neuen Anlagevehikel mit dem Ziel einer absoluten Rendite keine Ausnahme von der Regel wären.

Die langfristig unbestritten herausragende Rendite von Aktienanlagen ist nicht zuletzt das Spiegelbild kurzfristig hoher Kursschwankungen. Das irrationale, prozyklische und im Ausmass kaum vorhersehbare Verhalten potenter Investoren bringt es überdies mit sich, dass die Schwankungen in gewissen Marktsituationen zu gross ausfallen. Wenn wir uns auch in Zukunft von einer funktionierenden Marktwirtschaft und vom Erfolg unserer Unternehmenswelt ein Stück abschneiden wollen, sind wir dazu verdammt, mit der Volatilität der Finanzmärkte zu leben und sie als Teil des Systems zu akzeptieren. Die Konklusion mag ernüchternd wirken, aber sie ist zumindest ehrlich: «There is no free lunch» ist eine banale Erkenntnis in der Vermögensanlage – das wird auch künftig so bleiben!


21. Juli 2004


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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