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«Schweizer Aktien steigen dieses Jahr um 5 bis 10 Prozent»

Die Vermögensverwalter André Kistler und Pirmin Hotz halten Dividendenpapiere die Stange

NZZ am Sonntag: 2015 war ein schwieriges Anlage-Jahr. Was haben Schweizer Kunden mit einem Portfolio mit 50% Aktienanteil verdient?
André Kistler: Nach Abzug aller Kosten verblieb ein Nettoertrag von 1 bis 1,5%. Aufgrund der Frankenstärke hat sich die Kaufkraft des Vermögens deutlich erhöht. Unser Schweizer Aktiensegment erzielte eine Gesamtrendite von über 9%. Hingegen führte die Aufhebung der Euro-Untergrenze zu breiten Verlusten in den Fremdwährungen, mit Ausnahme des US-Dollars.
Pirmin Hotz: In einem Umfeld eklatanter Marktverzerrungen, ausgelöst durch die Geldflutung der Notenbanken, waren wir bei Anleihen zu defensiv aufgestellt. Wir machten mit unserer auf Eigenverantwortlichkeit ausgerichteten Anlagepolitik insbesondere bezüglich Schuldnerqualität und Laufzeiten von Obligationen keine Abstriche. Schweizer Kunden mit gemischten Portfolios haben 2015 im Durchschnitt eine knapp positive Realrendite erzielt.

Sie waren im Vorjahr recht positiv gegenüber Aktien. Und jetzt?
Hotz: Im Gegensatz zu Obligationen und Immobilien sind Aktien nicht überteuert. Das Verhältnis von Kurs zu Gewinn unserer Aktienwerte beträgt angesichts eines zinslosen Umfelds moderate 17, was einer nominellen Gewinnrendite von über 5,9% entspricht. Real sind das herausragende 7%! Die durchschnittliche Dividendenrendite unserer Beteiligungswerte erreicht 3%. Das sind wunderbare Aussichten für langfristig denkende Aktionäre.
Kistler: Die Unternehmen haben bewiesen, dass sie mit der wirtschaftlichen Schwächephase gut umgehen können. Innovationen, Skaleneffekte und Kostensenkungen werden auch in Zukunft die Treiber für erfolgreiche Firmen sein. Steigende Arbeitskosten und eine schwache globale Nachfrage werden allerdings das Wachstum der Firmengewinne bremsen. Erstklassige Schweizer Aktien sind nach wie vor sehr attraktiv bewertet. 2016 erwarten wir einen Anstieg der Schweizer Aktien gemessen am Swiss-Performance-Index von 5 bis 10%.

Sie beide investieren in Qualitätsaktien. Gerade diese sind doch teuer geworden?
Kistler: Qualität wird immer gefragt bleiben. Vor allem Aktien der allerbesten kleinen und mittelgrossen globalen Unternehmen sind nach wie vor preiswert und attraktiv. Gibt es eine bessere Anlage als erstklassige Aktien mit langfristig steigenden Erträgen und einer derzeitigen Gewinnrendite von über 5%, und dies alles in einem inflationsfreien Umfeld?
Hotz: Historisch mögen Aktien in der Tat nicht mehr billig sein. Allerdings ist ein Vergleich mit Zeiten, in denen die Zinsen 6 oder 7% betragen haben und die Aktien mit dem 14-Fachen der Gewinne bewertet wurden, nicht zweckmässig. In einem zinslosen Umfeld können selbst Bewertungen des 20-oder 25-fachen Gewinns als angemessen bezeichnet werden, da immer auch ein relativer Vergleich mit Alternativen angestellt werden muss. Wir sind und bleiben in Aktien übergewichtet.

Wie viele Aktien halten Sie in einem Portfolio, und wie sind diese geografisch gestreut?
Hotz: Wir verfolgen einen Branchenansatz mit je nach Depotgrösse zwischen 25 bis 50 Aktien, welche die weltweit führenden und erfolgreichsten Unternehmen in ihrem Segment repräsentieren. Dazu zählen wir auch ausgewählte Schweizer Mid- und Small-Caps. Wir achten auf eine vielversprechende Bewertung und eine attraktive Dividenden-rendite.
Kistler: Wir halten je nach Depotgrösse zwischen 40 und 60% Aktienpositionen. In der Schweiz 55%, in den USA 30% und in Europa 15%. Allerdings messen wir der Firmenselektion eine viel höhere Bedeutung zu als der Branchen- und Länderauswahl. In der Jagd nach Rendite kaufen Anleger vermehrt Staats- und Unternehmensanleihen mit schlechter Bonität.

Was ist Ihre Strategie im Nicht-Aktienanteil des Portfolios?
Kistler: Erstklassige Unternehmensanleihen in Franken machen den Hauptteil neben den Aktien aus. Die Abstützung auf unserem hauseigenen Bonitäts-Research ermöglicht die Erzielung einer durchschnittlichen Realrendite von immerhin 1,5%, was ungefähr dem historischen Mittel entspricht.
Hotz: Von unserem konsequenten Qualitätsdenken weichen wir auch in Zeiten von Negativzinsen nicht ab. Von jeher empfehlen wir anstelle von überschuldeten Staatspapieren, schlechten Firmenanleihen und nachrangigen Anleihen einen erhöhten Aktienanteil. Weil der Obligationenmarkt faktisch ausgetrocknet ist, setzen wir im festverzinslichen Bereich auf eine Kombination von erstklassigen Anleihen und Liquidität. Zudem werden wir im Kontext der in den nächsten Jahren zu erwartenden Zinssteigerungen die kurze durchschnittliche Laufzeit sukzessive und antizyklisch erhöhen.

Wie beurteilen Sie die US-Zinswende?
Kistler: Die Notenbanken sind heute so eng mit der Politik verbandelt wie noch nie. Die US-Zinswende wird sanft verlaufen. Und die rekordhohen Schuldenberge und Geldfluten Europas und Japans werden weiter anwachsen. Noch nie war ein konjunktureller Aufwärtszyklus so schwach wie dieser. Dafür wird er rekordlang anhalten, weil sich keine rasche Sättigung aufbaut. Die Geldschwemme verhindert strukturelle Reformen und den Abbau von Überkapazitäten.

«Das Verhältnis von Kurs zu Gewinn unserer Aktienwerte beträgt 17. Das entspricht einer realen Gewinnrendite von 7 Prozent.»

Dies ist ursächlich für die globale Wachstumsschwäche und Desinflation. Hotz: Der Obligationenmarkt ist völlig ausgetrocknet und illiquide. Obwohl die Notenbanken aufgrund der extremen Verschuldung ihrer Haushalte nur behutsam zu einer Normalisierung ihrer Zinspolitik zurückkehren werden, würden uns gewisse Verwerfungen an den Zinsmärkten nicht überraschen. Mit einer kurzen durchschnittlichen Laufzeit und ausgezeichneter Qualität unserer Obligationenanlagen sind wir für ein solches Szenario bestens gewappnet. Für Aktien sind moderat steigende Zinsen hingegen eher ein Segen, da diese erfreuliche Wirtschaftsdaten reflektieren.

Alles spricht von stärker schwankenden Märkten 2016. Was heisst das für Anleger?
Hotz: Die schon immer hohen kurzfristigen Schwankungen von Aktienanlagen sind der Preis für die langfristig überragende Rendite dieser Anlageklasse und damit per se nichts Schlechtes. Zudem eröffnen Rückschläge immer auch Chancen, günstig zu kaufen. Der Trend, liquide und kurzfristig volatile Aktien sowie zinslose Anleihen durch illiquide und nur vermeintlich risikoaverse Anlagen zu ersetzen, ist ein Denkfehler, der langfristig viel Performance kostet und unser Vorsorgesystem noch teuer zu stehen kommt.
Kistler: Kursschwankungen sind keine wirklichen Risiken, permanente Kapitalverluste hingegen schon. Das Auseinanderdriften von kranker Staaten- und gesunder Unternehmenswelt wird sich fortsetzen. Für den Anleger ist es entscheidend, in die Privatwirtschaft, also in Aktien, zu investieren und der Staatenwelt auszuweichen. Wer ausschliesslich erstklassige, global tätige Unternehmen mit sicheren zukünftigen Erträgen kauft, kann vorübergehende Preisschwankungen und langfristige Inflationsrisiken leichter in Kauf nehmen.

Die tiefen Zinsen treiben private Anleger wie Pensionskassen in strukturierte Produkte, Hedge-Funds und Private Equity. Zu Recht?
Hotz: Nein, Anleger werden dies früher oder später bereuen. Strukturierte Produkte und Hedge-Funds sind illiquide, hochmargige und intransparente Risikobomben, die in Krisenzeiten zu unverkäuflichen Ladenhütern mutieren. Die kolportierten Renditen sind oft geschönt, können aufgrund ihrer Intransparenz nicht nachgewiesen werden. Das gilt auch für Private Equity. Wer damit Geld verdienen will, kauft am besten die Aktien der Anbieter.
Kistler: Auch wir meiden diese Anlagen. Meistens dürfte nach Spesen nicht viel übrig bleiben. Wir investieren viel lieber direkt in das Original, in ausgesuchte erstklassige Aktien oder Unternehmensanleihen und sind so im Laufe der Zeit immer hervorragend gefahren.

Interview:Fritz Pfiffner


3. Januar 2016

Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.

ANDRE KISTLER
ist Mitbegründer der Albin Kistler AG in Zürich, die 26 Mitarbeiter hat.


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