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Liebe Mitglieder

Auch in dieser Ausgabe haben wir wieder einen Gastautor eingeladen, in einem Beitrag ein aktuelles Thema aus seiner Perspektive zu beleuchten.

Diesmal legt Herr Dr. Pirmin Hotz, welcher mit seiner Firma Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG Mitglied beim VQF ist, aus Sicht eines Praktikers und Betroffenen dar, was die Behörden beim Erlass neuer Regulierungen beachten sollten und was die Vermögensverwalter selber zu einem wirksamen Anlegerschutz beitragen können.

Anlegen in Zeiten der (Über-) Regulierung

Zahlreiche internationale Bankinstitute, die auf der Jagd nach hohen Eigenmittelrenditen viel zu tiefe Eigenmittelquoten aufweisen, mussten in der Finanzkrise vom Staat respektive von seinen Steuerzahlern gerettet werden. In derselben Zeit wurden gutgläubige und teilweise naive private sowie institutionelle Investoren von raffinierten Produkteverkäufern über den Tisch gezogen. Mit undurchsichtigen Subprime­Hypotheken, Produkten der in den Konkurs geschlitterten Bank Lehman oder rauschenden Renditeversprechen von windigen Hedge­Fund­Zauberern wie Bernard Madoff erlitten sie grosse Verluste. Beim Verkauf dieser intransparenten Produkte waren bei den Anbietern, genauso wie bei den LIBOR­Zinsmanipulationen, offenbar auch betrügerische Absichten im Spiel. Entsprechend sehen sich viele Banken mit unzähligen Klagen in Milliardenhöhe konfrontiert. Da der potentielle Konkurs einer Grossbank ein systemisches Risiko für eine Volkswirtschaft darstellt, ist im Grundsatz nachvollziehbar, dass die Regulierungsbehörden ihre Auflagen und Überwachungsfunktionen verschärfen wollen. Bei allem Respekt für eine Verteidigung der lupenreinen Marktwirtschaft: Wenn systemrelevante und vom Kasinokapitalismus getriebene Finanzinstitute ihre eigenen Bilanzen nicht unter Kontrolle haben, um auch grössere Turbulenzen überstehen zu können, dann müssen sie zweifellos vom Staat respektive von den Regulierungsbehörden stärker an die Kandare genommen werden. Etwas anderes ist den Steuerzahlern nicht zuzumuten. Vielfältige Interessenkonflikte haben den Drang zu mehr Regulierung leider begünstigt. Es ist in der Branche nach wie vor üblich, Retrozessionen auf Courtagen und Depotgebühren, Vertriebsentschädigungen beim Verkauf sowie Bestandespflegeentschädigungen beim Halten von Fonds und strukturierten Produkten oder Finder Fees bei Neugeldern auf eigene Rechnung zu vereinnahmen. Zusätzlich fördert die Finanzbranche gerne unsinnige, komplexe und hochmargige Produkte, die kaum ein Kunde versteht. Auf Hedge­Fund­Betrüger wie Bernard Madoff oder Allen Stanford, die Milliardenbeträge in ein windiges Schneeballsystem abzweigten, sind namhafte Banken und Investoren hereingefallen – und sogar ein populärer Alt­Bundesrat, der in einem Beirat prominent für letzteren geworben hat. In der Folge fühlen sich Politiker und Regulatoren unter Druck, durch Gesetzesänderungen etwas zu unternehmen, um diesen anlegerwidrigen Entwicklungen Einhalt zu gebieten. Das Ziel verstärkter Regulierung soll demnach sein, den Anlegerschutz im Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) zu verbessern und den Schweizer Finanzplatz in Einklang mit international geltenden Standards (insbesondere MiFID) zu bringen.

Die Idee, die Interessen der Anleger zu schützen, mag im Grundsatz vertretbar und nachvollziehbar sein. Die entscheidende Frage sei aber gestellt: Wo bleibt schliesslich die Eigenverantwortung der Anleger? Und wird eine Potenzierung der bürokratischen Auflagen für die Finanzmarktakteure tatsächlich den Kundenschutz nachhaltig stärken? Hier gibt es erhebliche Zweifel. Komplizierte und lange Fragebögen, wie sie gemäss MiFID von Endkunden zu beantworten sind, werden von diesen kaum verstanden und ausgefüllt. Nicht selten werden sie faktisch von ihren Beratern abgearbeitet und von den Kunden fast blind unterzeichnet. Und welcher Anleger liest schon die unzähligen Seiten mit «Risiken und Nebenwirkungen», wenn es um den Kauf eines einzigen, komplexen strukturierten Produkts geht? Der Regulator will in Zukunft auch die Aus­ und Weiterbildung der Anlagezunft fördern und vor allem kontrollieren. Aber was ist der Massstab? Es besteht die latente Gefahr, dass die Branche zu nutzlosen Kursen und Prüfungen gezwungen wird, die in einer masslosen Bürokratie ausufert. Kosten und Nutzen der Regulierung werden dann in einem krassen Missverhältnis stehen. Anlagefehler und vor allem Dummheit lassen sich nämlich mit keiner Regulierung verhindern. Und ganz wichtig: Ein Übermass an staatlichem Anlegerschutz unterstellt unmündige Bürger!

Die wichtigste Aufgabe des Regulators ist, dafür zu sorgen, dass sich die Finanzberater gegenüber ihren Kunden so verhalten, wie wenn sie ihr eigenes Geld verwalten. Sorgen die Banken und Vermögensberater für absolute Transparenz in ihrer Dienstleistung? Vorbildlich ist jener Berater, der vollständig auf Retrozessionen, Vertriebsentschädigungen und Finder Fees verzichtet. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, müssen diese Rückvergütungen detailliert offen gelegt werden, denn sie gehören prinzipiell den Kunden. Problematisch ist weiter auch schon, wenn der Berater eigene Produkte wie Anlagefonds einsetzt. Da er mit diesen erhebliche Gebühren generiert, die nicht direkt vom Kunden bezahlt werden und signifikant dessen Performance belasten, sind auch diese im Detail offen zu legen. Viele Kunden sind sich nämlich schlicht und einfach gar nicht bewusst, was sie faktisch insgesamt an Gebühren bezahlen. Eigene Produkte, die von Banken und Vermögensverwaltern angeboten werden, stellen deshalb einen massiv unterschätzten Interessenkonflikt dar. Im Zweifelsfall wird jede Bank oder jeder Vermögensverwalter mit eigenen Produkten diese verstärkt in die Depots der Kunden leiten, um den eigenen Profit zu steigern. Volle Transparenz hinsichtlich direkten (Vermögensverwaltungsgebühren) und indirekten Gebühren (Retrozessionen, Vertriebsentschädigungen, Finder Fees, Gebühren eigener Fonds) stellt sodann sicher, dass der Kunde die Anreize des Beraters im Detail kennt. Diese Forderungen sollte der Regulator mit Nachdruck durchsetzen. Auch sollte der Staat dafür besorgt sein, dass die Frist zwischen erfolgten Anlagebetrugsfällen und der Anklage gegen mutmassliche Betrüger nicht zu lange dauert. Während der schweizer Hedge­Fund­Jongleur Dieter Behring noch nicht einmal angeklagt ist, sitzt der Amerikaner Bernard Madoff längst hinter Gittern. Ein effizienter Staat erlässt deshalb nicht möglichst viele, sondern möglichst gute Regeln. Diese setzt er aber konsequent durch. In der Schweiz besteht zurzeit aber eher die Tendenz zur Bürokratie. Die seriösen Vermögensverwalter werden mit einem tonnenschweren Bürokratiehaufen eingedeckt, während mutmassliche Grossbetrüger und Insider nach wie vor mit Samthandschuhen angefasst werden. Was sind die Lehren aus all dem für den Staat? Eine sinnvolle Regulierung tut not, aber bitte eine Überregulierung. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Finanzmarktakteure nach einem einfachen, aber gefährlichen Grundsatz handeln: Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt! Interessenkonflikte der Kundenberater müssen ausgeschaltet werden. Konsequent. Dazu ist vollste Transparenz der direkten und indirekten Gebühren erforderlich. Auch ist die Ausbildung unserer Kinder an den öffentlichen Schulen zu verbessern. Die meisten Schüler haben keine Ahnung, wie sie mit Geld umzugehen haben. Auch Kursangebote in Geldfragen für Erwachsene sind gefragt. Auf diese Weise kann die Eigenverantwortung der Bürger in Vermögensangelegenheiten verstärkt werden. Schliesslich sollte der Staat, um Finanzkrisen zu verhindern und seine Bürger zu schützen, systemrelevante Banken zwingen, mindestens 10–20 Prozent hartes Eigenkapital zu besitzen (aktuell liegen die Quoten zwischen äusserst mageren 2 und 3 Prozent). Mehr sollte der Regulierer nicht tun, sonst würgt er die Marktkräfte ab.

Was sind die Lehren für den kundenorientierten Vermögensverwalter? Er sollte im alleinigen Interesse seiner Kunden handeln. Dies ist nur dann möglich, wenn er auf alle Formen von Retrozessionen, Vertriebsentschädigungen und Finder Fees verzichtet. Idealerweise verzichtet er auch auf alle Gebühren, die mit dem Vertrieb eigener Fonds und Produkte verbunden sind. Ein Vermögensverwalter, der konsequent auf (qualitativ erstklassige) Direktanlagen wie Aktien und Obligationen setzt, handelt frei von jeglichen Interessenkollisionen im Sinne seiner Kunden. Leider geht die Finanzbranche in dieser Beziehung in weiten Teilen den falschen Weg. Sie überbietet sich gegenseitig mit komplexen, hochmargigen und für den Kunden kaum nachvollziehbaren Produkten, die dieser gar nicht braucht. Sie befriedigen nur die Bedürfnisse der Anbieter. Banken sind in dieser Hinsicht weitgehend lernresistent. Wenn eine vor wenigen Jahren mit Steuergeldern gerettete Grossbank ihre Private Banking Kunden animiert, in ihren Wertschriftendepots wieder häufiger und entschlossener zu handeln, so reibt sich der interessierte Beobachter die Augen. Die Handlungsanweisungen sollen offenbar von Computer­Simulationen erfolgen, die täglich 50’000 Szenarien (!) durchrechnen. Ist nicht dieselbe Grossbank vor 5 Jahren just daran gescheitert, dass sie sich ziemlich naiv auf ihre Computer Modelle abgestützt hat?

Was schliesslich sollte der Anleger respektive der Bürger tun? Bei diesem liegt die wichtigste meiner Forderungen: Er soll seine Eigenverantwortung wahrnehmen. Er soll seinem Vermögensberater kritische Fragen stellen. Er soll sich über die aktuellen Geschehnisse in der Welt zumindest rudimentär informieren. Er soll den gesunden Menschenverstand walten lassen, wenn es um Rendite und Risiko bei Finanzanlagen geht. Gier und Naivität haben keinen Platz in der Welt der erfolgreichen Anleger. Jede noch so gut gemeinte Regulierung schützt den Anleger nicht vor Torheit. Und zu guter Letzt gilt für den weisen und vorsichtigen Anleger ein einfaches Grundprinzip: «Kaufe nur, was du verstehst!».


1. Juli 2014

Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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  • Alternative Anlagen
  • Direktanlagen und Transparenz
  • Interessenkonflikte