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2007 an Aktien festhalten

Im Gespräch mit drei Anlageexperten: Grösster Risikofaktor der Finanzmärkte ist die amerikanische Wirtschaft. Gegenüber komplexen Produkten ist Skepsis angezeigt

NZZ am Sonntag: Welches sind 2007 die grossen wirtschaftlichen Trends?
Thomas Lips: 2007 konnte eine Trendumkehr bringen, weil das Risiko besteht, dass die vom Häusermarkt in den USA ausgehende Wachstumsabschwächung eine breitere Wirkung entfaltet. Noch deuten die Signale auf eine sanfte Landung hin. Meines Erachtens ist sogar eine gewisse Beschleunigung in der zweiten Jahreshälfte in den USA die wahrscheinlichste Variante.
Christoph Zenger: Fundamentalökonomisch entscheidend wird sein, ob der US-Wirtschaft das Soft Landing gelingt oder nicht. Wir gehen diesbezüglich von einem deutlich über den Erwartungen liegenden Wachstum für das Jahr 2007 aus.
Pirmin Hotz: Die weltweiten Wachstumsraten werden sich auf hohem Niveau vorübergehend abschwächen, so dass im Jahresverlauf mit dem Ende der Zinssteigerungen der amerikanischen und etwas verzögert auch der europäischen Notenbanken gerechnet werden kann. Wichtig wird sein, dass Amerika eine weiche Landung der wirtschaftlichen Entwicklung gelingt.

Was erwarten Sie 2007 von den Aktienmärkten?
Zenger: Ein unterdurchschnittliches, allenfalls gar negatives Aktienjahr. Unsere positive Einschätzung der mittel- und langfristigen Aussichten wird dadurch aber keineswegs tangiert.
Hotz: Die Unternehmensgewinne sind in den letzten Jahren noch stärker gestiegen als die Aktienkurse. Ein Vergleich mit der Situation im Jahr 2000 ist deshalb nicht angebracht. Die Bewertung der Aktienmärkte erscheint uns nach wie vor als fair, was uns eine Rendite von 8% erwarten lässt. Die Prognoseunsicherheit ist aber für ein Jahr sehr hoch.
Lips: Trotz einer weiteren Abflachung des Gewinnwachsturms kann dank der recht attraktiven Bewertung der Aktien mit einer ähnlich guten Performance wie dieses Jahr gerechnet werden. Die Anlegergemeinde wird sich aber um das Tempo der Wirtschaftslokomotive USA sorgen. Wenn sich in der zweiten Jahreshälfte eine gewisse Beschleunigung abzeichnet, könnten wir sogar ein Kursfeuerwerk erleben.

Wie sieht bei Ihnen die Asset-Allocation, die Aufteilung der Anlageklassen, für einen Anleger mit mittlerer Risikofähigkeit und einem Anlagehorizont von sieben Jahren aus?
Zenger: Ein Anlagehorizont von sieben Jahren ist an sich zu kurz, um in Aktien anzulegen. Letztere sollten auf einen Betrag beschränkt bleiben, den man in den nächsten 15 bis 20 Jahren nicht antasten muss.
Lips: Für ein gemischtes Portfolio mit einem strategischen Aktienanteil von 50% empfehlen wir heute sogar, 55% Aktien zu halten. Alternative Anlagen sind mit 20% gut dotiert. Die restlichen 25% betreffen Obligationen.
Hotz: Wir empfehlen einem Schweizer, 50% seines Depots in erstklassige Aktien mit internationaler Ausrichtung zu investieren. 40% sind in Frankenobligationen mit erstklassiger Bonität angelegt. Die restlichen 10% fliessen in beste Dollar-Obligationen.

Wie teilen Sie die Aktien auf?
Hotz: Wir teilen die Aktien wie folgt auf: 35% SMI-Werte, 10% Schweizer Nebenwerte, 35% Europa, 15% Amerika und 5% Asien. Nach starken Aktienjahren in Europa erheben wir im Jahr 2007 antizyklisch den aussereuropäischen Anteil in Amerika und Japan. Dabei spielen auch Währungsüberlegungen eine Rolle.
Lips: Die amerikanischen Aktien sollten in Lokalwährung überdurchschnittlich gut abschneiden und in Schweizerfranken-Depots etwa 20 % ausmachen. Festgehalten werden sollte an einer strategischen Position von je 5% in Japan und den Emerging Markets. 25% bleiben für die Schweiz und Europa. In der Schweiz gilt es zu beachten, dass Nebenwerte sehr stark zugelegt haben.
Zenger: Unsere Aktienaufteilung ist folgende: Schweiz: 33%, Nordamerika: 29%, Japan/Pazifik: 16%, Europa: 20%, Emerging Markets: 2%.

«Wichtig wird 2007 sein, dass Amerika eine weiche Landung der wirtschaftlichen Entwicklung gelingt.»

Was sind Ihre Renditeerwartungen netto in einem gemischten Portfolio?
Lips: Wenn ich den Finger in den Wind strecke, komme ich auf eine erwartete Rendite von 5 bis 7%, also leicht hoher als in diesem Jahr, wo der Dollar auf die Performance drückte.
Hotz: In der Referenzwährung Schweizerfranken sind netto 5% realistisch zu erwarten. Im Vergleich zu den Vorjahren wird das Ergebnis wohl etwas bescheidener ausfallen.

Was ist Ihre Meinung zu den stark empfohlenen alternativen Anlagen wie Hedge-Funds, Private Equity, Rohstoffen und Immobilien für kleinere Anleger?
Zenger: Hedge-Funds gehören nicht in unsere Depots, Private Equity zwar als Beimischung schon – angesichts der spekulativen Exzesse im Buyout-Bereich aber immer weniger. Immobilienfonds sind schlicht zu teuer.
Lips: Wir empfehlen schon seit langem alternative Anlagen als Baustein in einem Portfolio. Unsere Kunden sind damit gut gefahren. 2006 haben die von Versicherungen abhängigen Anlagen und ausgewählte Funds-of-Hedge-Funds nicht spektakulär, aber solide abgeschnitten, insbesondere als Ergänzung zu Obligationen. Star-Performer waren rohstoffabhängige Anlagen sowie Private Equity.
Hotz: Diese Produkte, die zunehmend und mit Hochdruck vermarktet werden, sind für deren Anbieter äusserst lukrativ. Die kolportierten Renditeerwartungen sind völlig üb erzogen, und eine breite Anlegerschaft ist enttäuscht von den Ergebnissen der letzten Jahre. Auf die Ernüchterung im Bereich der Hedge-Funds folgt nun die exzessive Gier der Private-Equity-Branche. Wir lehnen solche Anlagen konsequent ab.

Dafür ist die Nachfrage kleinerer Anleger nach strukturierten Produkten meist Kombinationen von herkömmlichen Anlagen und Optionen gross.
Ihre Antwort auf diesen Trend?
Lips: Viele Produkte sind komplex, nicht transparent und wenig liquid. Es ist so nicht einfach, den Überblick zu behalten. Zertifikate haben bei alternativen Anlagen sicherlich eine Daseinsberechtigung, weil ähnliche Fonds oft nicht zur Verfügung stehen.
Zenger: Strukturierte Produkte können im konkreten Einzelfall von Nutzen sein. Wenn sie aber wie heute als Massenphänomen in Erscheinung treten, deuten sie auf eine eklatante und höchst profitable Markt-Ineffizienz hin für die Banken.
Hotz: Banken generieren mit diesen Produkten, die eine attraktive Verzinsung versprechen, satte Gebühren. Die Risiken werden aber nur ungenügend bekanntgemacht. So erfolgt die Rückzahlung zum Beispiel nach fallenden Kursen ausgerechnet in jener Aktie, Währung oder jenem Rohstoff, welche(r) die schlechteste Performance aus gewiesen hat. Entgegen jeder Maxime der Risikostreuung potenziert der Anleger, oft unwissend, äusserst aggressiv sein Risiko.

Viele Anleger schichten, getrieben von den News, ihre Wertschriften um – eine gute Strategie?
Hotz: Anleger und deren Berater Überschätzen ihre Prognose-Kompetenz systematisch. Statt den Fokus auf eine langfristig erfolgreiche Strategie auszurichten, werden aufgrund von hektischen Tagesaktualitäten fast willkürlich Transaktionen umgesetzt. Reich werden damit einzig die Banken, nicht aber deren Kunden.
Zenger: «Hin und Her macht Taschen leer» ist nach wie vor eine absolut zutreffende Anleger-Weisheit.
Lips: Hin und Her macht Taschen leer stimmt für den durchschnittlichen Anleger schon wegen der Kosten. Wir empfehlen, einmal im Jahr das Depot auf die strategischen Zielvorgaben auszubalancieren.

«Wenn ich den Finger in den Wind strecke, ist für ein gemischtes Portfolio eine Rendite von 5 bis 7% realistisch»

Sollen Anleger passiv in Index-Produkte oder aktiv in diverse Einzelaktien und gemanagte Fonds investieren oder besser einen Mittelweg verfolgen?
Hotz: Wir propagieren einen semiaktiven Anlagestil in der ruhigen Hand. Wir investieren primär in gut diversifizierte und qualitativ erstklassige Einzelaktien. Insbesondere den japanischen Aktienmarkt decken wir ergänzend mit kostengünstigen Indexanlagen (ETF) ab. Bezeichnend ist, dass diese interessanten Produkte von Banken zwar angeboten, aber nicht aktiv empfohlen werden.
Zenger: Private und professionelle Anleger erreichen mit einem passiven Ansatz im Durchschnitt eine bessere Performance als mit aktivem Anlegen nur schon wegen der Kosten.
Lips: Mit zunehmender Vermögensgrösse können aktive Strategien, insbesondere mit Einzeltiteln, eine prominentere Rolle spielen. –Aber eine Mischung ist dank Index-Aktien, aktiven Fonds und Funds-of-Funds. Im alternativen Bereich auch für den normalen Anleger sinnvoll.

Was für Schwächen weisen Portfolios auf die neu zu Ihnen kommen oder die Sie beratend beurteilen müssen?
Lips: Wir stellen fest, dass häufig Vermehrt In-house-Produkte placiert sind, bei denen ein Benchmark nicht klar ersichtlich ist und die oft kaum liquide sind. Es kann Monate dauern, bis man das Geld zurückbekommt, oft nur mit einem schlechten Kurs.
Hotz: Die grösste Schwäche der meisten Portfolios liegt darin, dass sie strategisch kaum mehr zu analysieren sind. Sie sind mit intransparenten Produkten übersät, die mit oft drolligen Namen versehen sind. Moderne Portfolios sind zu Black-Box-Konstrukten verkommen. Vielfach mangelt es überdies an einer soliden Risikostreuung.
Zenger: Im Allgemeinen sind die Portefeuilles mangelhaft diversifiziert und/oder mit (zu) teuren Fonds beziehungsweise strukturierten Produkten überladen.

Können Sie Anlegern, die seit dem Börsen-Crash keine Risiken mehr eingehen, aber doch eine rechte Rendite wollen; Kapitalschutzprodukte empfehlen?
Zenger: Wer keine Risiken eingehen will oder kann, wird mit Garantie-Produkten langfristig kaum mehr verdienen als mit dem Sparkonto – zu Recht.
Hotz: Anleger, die in Garantie-Produkte investieren, wähnen sich in trügerischer Sicherheit. Während der mehrjährigen Laufzeit befinden sie sich nicht selten tief in der Verlustzone. Sie müssen die Anlage dann, lange aussitzen, bis sie das investierte Geld oft ohne Verzinsung wieder zurückerhalten. Laufen die Anlagen auf fremde Währungen, besteht überdies kein Schutz vor Währungsverlusten. Garantien kosten auch viel Geld, das die Performance markant belastet.
Lips: Gebrannte Kinder, die ihre Anlagen zu Tiefstwerten verkauft haben und jetzt die Aktienkurse davonlaufen sehen, sollten tatsächlich in Produkte mit Kapitalschutz einsteigen. Langfristig bringt eine konsistente Anlagestrategie aber ohne Zweifel die weit besseren Resultate. Gemäss dem Bundesgericht gehören Rückvergütungen, sogenannte Retrozessionen, den Kunden, sofern nichts anderes vertraglich vereinbart wird.

«Allgemein sind die Portefeuilles mangelhaft diversifiziert und/oder mit zu teuren Fonds und Produkten überladen.»

Wie halten Sie es mit Retrozessionen?
Zenger: Retrozessionen gehören unseren Kunden – meistens in Form von Spezialkonditionen - bei den Courtagen, Depot- und Produktgebühren. Wer Retrozessionen oder andere Schmiergelder entgegennimmt, kann nicht im Interesse des Kunden entscheiden. Aufgrund der obligationenrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflicht hätte das Bundesgericht eigentlich ein Verbot solcher Zahlungen aussprechen müssen.
Hotz: Da wir keine margenträchtigen Produkte einsetzen und darüber hinaus gebührenschonend anlegen, sind wir für die Vermittlung von Retrozessionen ein unattraktiver Partner. Bei alternativen Anlagen und Fonds fliessen die grössten Rückvergütungen. Mit dem Einverständnis der Kunden partizipieren wir dann an Bank gebühren, wenn wir faktisch die Depotbankfunktion übernehmen, die Transaktionen selbst ausführen und das Risiko von Fehleingaben tragen.
Lips: Schon seit einigen Jahren richtet die AIG Private Bank den externen Vermögensverwaltern auf bestimmten Produkten Retrozessionen nur aus, wenn diese sich gegenüber der Bank vertraglich verpflichtet haben, diese Zahlungen ihren Kunden offenzulegen. Im Unterlassungsfall behält sich die Bank das Recht vor, den Kunden darüber direkt zu informieren.

Interview: Fritz Pfiffner


31. Dezember 2006


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.

THOMAS LIPS
ist Chief Investment Officer der AIG Privat Bank in Zürich, die auch kleinere Kunden berät.

CHRISTOPH ZENGER
ist Mitinhaber der Zuger Vermögensverwaltung Covasys. Er berät auch Pensionskassen.


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